Wolfgang Bauernfeind zum 60. Geburtstag von H. K.
im SFB-Programmheft (2000)
Bilder fallen mir ein, Bilder zu einem Mann des akustischen Mediums. Kopetzky und seine Mikrophone wie Keulen, noch größer als sie eigentlich sind durch den Windschutz, der über sie gezogen ist, am Handgriff nach vorne gestreckt, oder mit earphones , die in seinen großen Ohren fast verschwinden, das kleine Aufnahmegerät am Gürtel befestigt, fast unscheinbar. Dieser Mikrophonmann steht mitten in der Welt, nein genauer: Er stehet auf einer Brücke der berühmten Kautschukbahn Madeira Marmoré im westlichen Amazonien; er steht mit seiner NAGRA, acht Kilo schwer in Ost-Sibirien im Baikal-Gebirge; er steht unter Friedensbewegten in Mutlangen, in der Rhön. Kopetzky ist einfach überall, wo sich die Jagd nach Stimmen, Geräuschen, Situationen lohnt. Ein Mann, süchtig nach Welt und nach Themen dieser Welt (…)
Es hat alles ganz anders angefangen. Zunächst arbeitet Helmut Kopetzky für die Zeitung, ist Lokalredakteur in Fulda, später Feuilletonredakteur beim „Abend“ in Berlin. Er wechselt das Medium, macht Features für das Fernsehen, geht zum SFB-Jugendfunk und wird dann von Peter Leonhard Braun für das Radiofeature entdeckt (…) Kopetzky spürt Zeitzeugen auf, die ihm den Ersten und Zweiten Weltkrieg erzählen, er reist mehrmals in die Sowjetunion, ist in Leningrad, Kiew, in Kasachstan, Usbekistan und schildert Alltag und Geschichte im Vaterland aller sozialistischen Länder – durchaus mit Distanz zu seinen begleitenden Vereinnahmern, aber mit Respekt für die Menschen im Lande. In der Friedensbewegung der 80er Jahre ist er nicht nur als Autor aktiv, sondern gründet mit anderen Journalisten aus Fernsehen, Presse und Hörfunk eine Initiative gegen die Atomrüstung in Ost und West. Der Reporter tritt aus seinem Schatten und zeigt sich als engagierter Privatmensch, der in das Zeitgeschehen eingreifen will. 1989 ist Helmut Kopetzky selbstverständlich Chronist der Wende und beschreibt deutsch-deutsche Annäherungen mit all ihren Verwicklungen.
Helmut Kopetzky erobert sich das Medium aber auch als Hörspielautor und Audiofreak. Unvergessen ist sein Tag in Europa, eine akustische Collage, in der er Europa hörbar macht. Ein ganzer Tag im Radio, ausgezeichnet mit dem Prix Europa 1999, preisgekrönt wie viele seiner Sendungen.
Helmut Kopetzky könnte sich jetzt zurückziehen, in einen Lehnstuhl, der in seiner Wohnung nicht vorhanden ist, Gott sei Dank, sich ausruhen auf seinen Lorbeeren und mit Gelassenheit sein Lebenswerk betrachten. Aber – das weiß nicht nur ich – er muss wieder hinaus, nicht nur für Sendungen, sondern auch für Seminare, die er als gefragter Experte in Brasilien, in Ecuador, Argentinien, Mexiko, Kenia, in den USA, Polen oder Rumänien abgehalten hat.