Christliche Fundamentalisten auf dem Vormarsch.
Ein Frontbericht (SFB/ORB, HR, BR, NDR 2003).
Erschienen in der Programm-Zeitschrift des SFB (“RadioKultur”).
21. Jahrhundert:
Satellitenschwärme lenken den Verkehr. Hirnphysiologen haben den Sitz der Frömmigkeit im Schläfenlappen geortet. “Adam” und “Eva” sind einander nie begegnet (laut “Nature Genetics” kam der Urvater des Homo sapiens erst 84 000 Jahre später auf die Welt). Altertumsforscher verweisen immer neue Teile der Schriften, die wir zusammenfassend “Bibel” nennen, in das Reich der Legenden und Gleichnisse … Aber zugleich wächst die Sehnsucht nach dem Alten mit dem Bart, dem Vater-Gott, der alles weise regelt; der jeden von uns kennt und liebt — “Draw me near / Into your arms / Your lovin’ arms … Oh Lord !”
Denn die Welt ist kalt.
Selten war die Sehnsucht nach ewigen Gewissheiten stärker als in diesem “Jahr der Bibel”. 950 000 Einträge zum Stichwort JESUS spuckt die Suchmaschine “Google” aus. Fast 37 Millionen Treffer bringt das Suchwort GOD. Und da Bedürfnisse stets auch den Markt zu ihrer Befriedigung produzieren, ist der Verteilungskampf um die Seelen der 6 280 795 000 Erdenbürger weltweit entbrannt. Vor allem in den Ländern der “Dritten Welt” kämpfen die etablierten Großkirchen wie die katholische in Latein-Amerika Rücken-zur-Wand gegen den Vormarsch attraktiver Designer-Kirchen aus dem evangelikalen und charismatischen Spektrum — aufgestylte Nachfahren der deutschen, englischen und vor allem nordamerikanischen Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts.
Allen gemeinsam: die unumstößliche Autorität der Bibel, Wort für Wort — ein geistlicher (und geistiger) Salto rückwärts in die Welt vor Galileo und Darwin.
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