Wie ich zehn Takte auf einer Stradivari spielen wollte
DLF / NDR 2010 (51:25)
AUS DEM MANUSKRIPT:
Meine Geige stammt aus Böhmen. Sie ist 90 Jahre alt. Schlanke Taille, breites Becken — ein bäuerlicher Leib. Sie könnte Kopftuch tragen und Gummistiefel. Ich finde ihren etwas rauen Klang nicht schlecht. Und sie verzeiht mir jeden Fehler. Wir sind ein tolerantes Paar.
Jörg Meyer (GEIGENBAUER — ZUPFT DIE SAITEN AN) Find’ ich ganz gut ! Ziemlich kernig ! In dem Bereich von zwei- bis dreitausend Euro würd’ ich die ansiedeln, die Geige …
Autor Ehm …
Jörg Meyer … Mit einem Cremoneser Zettel …
Autor (LIEST) Stradivarius Cremonensis Faciebat Anno 1703.
Das Etikett, der sogenannte “Geigenzettel”, ist natürlich eine Fälschung.
Sechs Millionen für die alte oder 20 000 Euro für die “neue Strad” … Oder schlappe zwei bis drei für meine Bauernfidel ? Die alte Diva aus Italien müsste also dreitausendmal besser klingen …
Kann man das Gefälle wirklich hören ? Wie viel ist der Mythos wert, wie viel der Klang ?
DAS INNEN-GERÄUSCH EINES PERSONENZUGS SCHIEBT SICH UNTER DEN FOLGENDEN TEXT. DAS ROLLEN DER RÄDER UND DIE STIMMEN DER PASSAGIERE BLEIBEN – GLEICHSAM ALS BASSO CONTINUO — ERHALTEN.
Einmal dieses alte Holz riechen, den Lack. Die Vibration des Geigenkörpers und die Schwingungen der Saiten spüren an den Fingerkuppen und tief drin
Nur 10 Takte spielen – auf der “Echten” …
Darum fahr’ ich hin. Nach Cremona. In den Geigenhimmel, wo die Stradivaris von der Decke baumeln (…)
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