Exkursion ins Innere des Klangs
hr2 / Feature 2009 – In Stereo und 5.1 Surround (52:35)
MANUSKRIPT-AUSZUG:
OLIVIER MESSIAEN, “O SACRUM CONVIVIUM !” (1937)
DARAUF IM 5.1‑PANORAMA VERTEILT:
Organist … Der Klang ist sanft, füllt jede Ecke in dieser riesigen wunderbaren Kathedrale. Hat Süße, hat ganz prickelnde Klangkronen. Kann extrem bombastisch sein …
Pfarrerin … grell …
Organist … kann den ganzen Raum wirklich tapezieren … und …
Pfarrerin … und spitz und dumpf und zynisch und ironisch und heiter und gelassen …
Organist Es ist ein gewachsener, vollblütiger Klang …
Pfarrerin Ganz geheimnisvolle Töne, die dadurch entstehen.
Organist Die Orgel ist extrem erotisch – als Klangkörper ! Oh ja !
H. K. Klang-Körper …
Organist Ehm !
Ansage (…)
KREUZBLENDE IN MITTLERES WINDGERÄUSCH / DARAUF:
Autor als Erzähler Am Anfang war der Wind … Wind ist schwingende Luft … Ein Ping-Pong-Spiel von Luftpartikeln (…)
Wind ist unhörbar. Wir hören nur seine Wirkung, das Auftreffen erregter Moleküle auf ein Hindernis – Gras, Stoff, Draht, Holz … Metall …
DER WIND NIMMT ZU – EIN BOOTSSTEEG KNARRT UND QUIETSCHT
Durch die Umlenkung an sogenannten Abrisskanten heult der Wind. Luftwirbel entstehen, Töne …
EINE WINDHARFE
… Der Wind musiziert … Manchmal “orgelt” er.
KREUZBLENDE IN BACH / STOKOWSKI, PASSACAGLIA IN C‑MOLL,
BWV 582 / DARAUF:
Autor als Erzähler Diese Orgel steht in Oppenheim am Rhein – in der Katharinen-Kirche. 44 Register, drei Manuale, Höhe sechseinhalb Meter, 3200 Orgelpfeifen.
Der Prospekt – die Schauseite — in lichten Grüntönen, silbrig und golden gefasst, wie schwebend unterm Kreuzgewölbe. Die Morgensonne lässt die große leuchtende Skulptur auf der ockerfarbenen Empore aufglühen. Dann versinkt sie wieder in der Dämmerung der Sandstein-Gotik.
(…)
WENDELTREPPE, AUFSTIEG ZUR ORGELEMPORE / ENTFERNTE, DANN NÄHERKOMMENDE STIMMEN / INTONATIONS-GERÄUSCHE
Woehl (Orgelbaumeister) Hallo ! Schönen guten Morgen !
H. K. Reicht mein Kabel ?
Entfernte Stimmen Ja …
H. K. Vorsicht mit dem Stecker hier, die sind empfindlich ! (KABEL-RUMPELN)
Woehl Spiel mal E an !
GERINGFÜGIG AUF- UND ABGLEITENDER TON / METALLISCHE KLOPFGERÄUSCHE
Autor als Erzähler Mit dem Stimmeisen verstellt der Meister vorsichtig die Zungen der Lingual- oder Zungenpfeifen. Kürzere Zunge — höherer Ton.
Woehl Jetzt mach’ mal Posaune …
Autor als Erzähler Die letzten Handgriffe … Heute Abend soll die Walcker-Woehl-Orgel zum ersten Mal in ihrer ganzen Pracht und Macht ertönen – mystisches Säuseln und Singen und apokalyptischer Sturm.
Auf drei Etagen, Rohr an Rohr, ein Orgelpfeifenwald. Das Holz der Lippenpfeifen — goldfarben im Ton des “roten Bolus”, einer Leimfarbe, die schon die Meister des Barock benutzten.
Kontrolliertes Durcheinander: Blei- und Papprohre, Gestänge, Wellen, Hebelarme und Ventile.
Schmale Treppen – wie im Innern eines Schiffs. Es könnte gleich in See stechen, sobald das tiefe C erklingt …
DER TON / MÖVENGEKREISCH, WINDHEULEN / AUS DIESER KULISSE SCHWINGT SICH ZAGHAFT UND ZART EIN FLÖTENTON AUF, ASSISTIERT VON TIEFEN TUBA-TÖNEN / WIND, TUBA UND FLÖTE MUSIZIEREN MIT EINANDER / KREUZBLENDE IN:
MODEST PETROWITSCH MUSSORGSKI, “BILDER EINER AUSSTELLUNG”, #15 “BABA YAGA” MIT ABRUPTEM SCHLUSS
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