Der kurze Winter der Gerechten

Ein Fea­ture über die Sta­si-Debat­te, die Sehn­sucht nach Nor­ma­li­tät und die Lei­den poli­ti­scher Mora­lis­ten


MDR / SFB1999 – Dau­er 57:50 – Sprecher/in: Hans Rai­ner Lan­ge, Patri­cia Schäfer

In der öffent­li­chen Debat­te um den rich­ti­gen Umgang mit der Geheim­dienst-Kra­ke Staats­si­cher­heit und ihren Zuträ­gern spie­len sie kaum noch eine Rol­le: die Abwick­ler und Auf­de­cker der ers­ten Stun­de; die Ein­zel­gän­ger mit dem lau­ten Gewis­sen, die sicher­stel­len woll­ten, dass nichts unter den Tep­pich gekehrt wird. Eine Behör­de hat das Ter­rain besetzt, die Bewäl­ti­gungs-Arbeit ist in öffent­li­cher Hand — und die meis­ten sind’s zufrieden. 

Nicht so der Schrift­stel­ler und ehe­ma­li­ge Sta­si-Häft­ling Jür­gen Fuchs, der in sei­nem Roman „Mag­da­le­na“ von der „Fir­ma VEB Horch & Gauck“ und „Land­schaf­ten der Lüge“ schreibt — und er meint damit das neue, grö­ße­re Deutsch­land, das sich für mora­lisch und poli­tisch über­le­gen hält. Wie vie­le Rigo­ris­ten des Auf­räu­mens hat ihn die Kra­ke auch nach dem Ende der DDR nicht losgelassen. 

Er und ande­re „Abwick­ler“ wer­den bis heu­te mit anony­men Anru­fen, Zusen­dung von Fäka­li­en-Pake­ten oder Mord­dro­hun­gen gequält. Die Anklä­ger füh­len sich mehr und mehr in die Rol­le der Ange­klag­ten, zumin­dest aber der ewi­gen Stö­ren­frie­de gedrängt.

Bei­spiel: der Lie­der­ma­cher Andre­as Schmidt. Der Sohn eines Jena­er Poli­zei­of­fi­ziers war einer der ers­ten, die 1989 die Sta­si-U-Haft­an­stalt in Gera besetz­ten; da wur­den die Akten noch mit Maschi­nen­pis­to­len bewacht. Heu­te ist Schmidt von der Gauck-Behör­de beur­laubt und in psy­cho­the­ra­peu­ti­scher Betreu­ung. Wie vie­le ande­re hat er das Wech­sel­bad der Gefüh­le und Inter­es­sen im Umgang mit der „Fir­ma“ nicht verkraftet. 

10 Jah­re nach dem Unter­gang der DDR wird die Fra­ge dis­ku­tiert: Ent­schä­di­gung der Opfer und Stra­fe für die „ent­larv­ten“ Täter — oder Gene­ral­am­nes­tie und Strich drun­ter ? Für die Abwick­ler kei­ne Fra­ge — doch die Spaß­ge­sell­schaft will „Nor­ma­li­tät“ und Vergessen.