Berg der heiligen Zwietracht

Fel­sen­dom und Kla­ge­mau­er — Wem gehört Jeru­sa­lem ?

(NDR 2000)

AUS DEM ERZÄHLER-TEXT:  Aus­gra­ben. Sich in die Ver­gan­gen­heit hin­ein­wüh­len … Eine kol­lek­ti­ve Lei­den­schaft in die­ser Stadt. Man sucht Bewei­se, gräbt nach stei­ner­nen Besitz­ur­kun­den — hier die Juden, dort die Mos­lems. Zwei Nach­barn strei­ten um das sel­be Grundstück. 

Erzäh­ler: Hans Rai­ner Lan­ge – 54:11 – PREMIO ONDAS 2000


AUS DEM MANUSKRIPT:

AUTOR SCHALTET DEN PC EINPC FÄHRT HOCH

Denn sie­he: Es steht geschrieben … 

KEYBOARD- UND MAUS

… im World Wide Web. Im neu­en Buch der Bücher. Such­wort: „Jeru­sa­lem, Tempelberg“…

COMPUTERSTIMME: „WILLKOMMEN !“ / KEYBOARD- UND MAUS-GERÄUSCHE 

… www.thewall.org … Alle 60 Sekun­den ein Foto. Fast live. Ich kann das Foto ver­grö­ßern — die Mau­er, die Mensch­lein — klick ! … Noch ein Maus­klick: Real Audio — der Ton zum Bild — 15, 1 Kilo­byte pro Sekunde. 

STIMME AUS DEM COMPUTER, SUGGESTIV: „The Wes­tern Wall ten feet in front of us … Nur drei Meter ent­fernt … The area fills one with awe … Der Ort erfüllt uns mit Ehr­furcht … They just tell us, that the schi­na, the divi­ne pre­sence, never left the Wes­tern Wall. Man sagt, das Gött­li­che hat die­sen Ort nie ver­las­sen …You can almost feel it here in front of us, around us, sur­roun­ding us ! Es ist überall!

WÄHREND DER LETZTEN SÄTZE HAT SICH DAS SOUNDFILE AUS DEM COMPUTER (MONO) IN DIE REALE SZENE VOR DER KLAGEMAUER (STEREO) VERWANDELT: BAR MITZVAHEIN KLANGGEWIRR AUS VIELEN STIMMEN, GEBETEN, GESÄNGEN.

In den Mau­er­spal­ten nis­ten Schwal­ben, flit­zen klei­ne Eidech­sen. Der Kotel ist die Stütz­mau­er des Tem­pel­bergs — nicht die Wand des Tem­pels, wo Rab­bi Jesus gelehrt hat. Drei­ßig Jah­re nach des­sen Tod trie­ben die Zelo­ten, eine ultra­or­tho­do­xe mili­tan­te Grup­pe, Isra­el in einen aus­sichts­lo­sen Krieg. Die Römer unter Titus Fla­vi­us ver­nich­te­ten die Stadt. Und den Tempel.

DIE BAR-MITZVAH-FEIER

Viel los heu­te mor­gen ! Zwei­mal die Woche Bar Mitz­vah. Das Fest der Kna­ben. Mit 13 dür­fen sie zum ers­ten Mal aus der Tho­ra lesen. Mann unter Män­nern. Einer von zehn, laut Gesetz. 

Da kom­men sie gerit­ten, im Tri­umph­zug auf den Schul­tern ihrer Väter, Onkel, Brü­der. In klei­nen flat­tern­den Gebets­män­teln, die Tef­fil­in um Arm und Stirn geschnürt. 

Jun­ge und ganz alte Män­ner sin­gen, tan­zen, klat­schen vor Begeis­te­rung, ver­zückt — wie David vor der Bun­des­la­de, damals. Wie­gen gold­ver­zier­te Schrift­rol­len im Arm.

STIMME AUS DEM COMPUTER (REAL AUDIO) UND REALE TUNNEL-TOUR:

We will now walk insi­de from the Wes­tern Wall pla­za. We’­re ente­ring the ent­ry way to the tun­nels. O.k. … Jetzt geht’s in den Tun­nel ! … The light­ing is quite dra­ma­tic now … Dra­ma­ti­sches Licht ! … The secret passage…

Aus­gra­ben … Sich in die Ver­gan­gen­heit hin­ein­wüh­len … Eine kol­lek­ti­ve Lei­den­schaft in die­ser Stadt. Man sucht Bewei­se, gräbt nach stei­ner­nen Besitz­ur­kun­den — hier die Juden, dort hin­ten irgend­wo die Moslems.

Zwei Nach­barn strei­ten um das sel­be Grund­stück. Die Immo­bi­lie ist nicht groß — ein Hügel­chen — zer­nagt, durch­lö­chert, ange­bohrt von allen Sei­ten. Fuchs­bau, Schwei­zer Käse. Hät­te auf drei Fuß­ball­fel­dern Platz.

STIMME (DEUTSCH) Das ist ein Gefühl … Man kann das … Wir tre­ten auf die Stei­ne und auf die Stra­ßen, die unse­re Eltern und Groß­el­tern in den letz­ten 3000 Jah­ren getre­ten haben. Und hier in die­sem Ort hat der Tem­pel gestan­den … und König David und König Salo­mon … Und eine zwei­te Sache ist ein ganz ein­fa­ches Gefühl, dass wir sind jetzt zu Hau­se. Das ist der Ort für jeden Men­schen. Jeru­sa­lem war, ist und immer wird sein die Haupt­stadt von den Juden. Und jeder Jud hat eine beson­de­re Ver­bun­den­heit mit Jeru­sa­lem. Dort ist jeder Mensch, jeder Jud zu Hause!

FREMDENFÜHRER It’s moving … It’s a mira­cle that we are back here — after all the­se years ! Here we are ! Ein Wun­der, wie­der hier zu sein — nach all den Jahren! 

Und da oben, ein paar Meter über uns: das Mos­lem-Vier­tel … Men­schen, Kar­ren, Tee­stu­ben, Bazar. Und der Fel­sen­dom mit sei­ner Gold­kup­pel. Und die Al-Aqsa Moschee, nach Mek­ka und Medi­na der hei­ligs­te Ort des Islam. 

BAZAR / GEBETSRUF / FERNSEH-ÜBERTRAGUNG DES FREITAGS-GEBETS 

Hier schallt die Frei­tags­pre­digt aus den Fern­se­hern: „Lasst die Flag­ge wehen ! Das Land wird frei sein ! Und der Ruf ‘Allah ist grö­ßer !’ wird am Him­mel Paläs­ti­nas und in jeder Stra­ße unse­res hei­li­gen Jeru­sa­lem ertö­nen. Denn Jeru­sa­lem, die Haupt­stadt, gehört uns…!“

Fünf­mal täg­lich der Gebets­ruf — „Es gibt kei­nen Gott außer Gott …“ — Und er mischt sich mit den Psal­men und Gesän­gen an der Kla­ge­mau­er. Und mit der Lita­nei der Frei­tags­pro­zes­si­on, die durch die Via Dolo­ro­sa zieht zur Gra­bes­kir­che, wo man lebens­gro­ße Kreu­ze mie­ten und wie Jesus durch die Alt­stadt wan­ken kann — „Rent a cross“.

FRANZISKANER The Thir­te­enth Sta­ti­on. Here Jesus is taken down from the cross(…)

EINE GLOCKE / GESANG DER PILGER, ENTFERNT SICH 


Die Bibel hat recht !
Der Koran hat recht !
Der Tal­mud …

Amen ! 
Und Amen !
Und Amen !


Uri Avne­ri, Jour­na­list und Frie­dens­kämp­fer, sagt:

AVNERI  Frie­den hat hier nie geherrscht, nicht einen ein­zi­gen Tag. Jeden­falls nicht in den letz­ten 60 Jah­ren, in denen ich hier lebe. Nicht einen ein­zi­gen Tag Frie­den ! Frie­de war hier nie — es war immer Kriegs­zu­stand zwi­schen — es ist kei­ne Sache von ein paar Extre­mis­ten. Es ist die Sache der bei­den Völ­ker — zwei gro­ßer natio­na­ler Bewe­gun­gen. Im Grun­de haben Sie hier ein klei­nes Land, das bei­de der Völ­ker als ihr exklu­si­ves Vater­land betrach­ten. Bei­de Völ­ker bestrei­ten nicht nur die Rech­te des ande­ren Vol­kes auf das Land son­dern prak­tisch sogar die Exis­tenz des ande­ren Vol­kes seit Gene­ra­tio­nen. Bei­de Sei­ten haben ihren Schä­del voll von Mythen, Sagen, Ängs­ten, Trau­mas, Vor­ur­tei­len — Ste­reo­ty­pen, die mit der Wirk­lich­keit über­haupt nichts zu tun haben. Und das zu besei­ti­gen, ist eine his­to­ri­sche Auf­ga­be und nicht so leicht.

EHRENBERG Kein Zwei­fel, dass die Juden waren dort zuerst! 

Der Ber­li­ner Rab­bi Yitz­hak Ehren­berg.

EHRENBERG Wir fan­gen an mit unse­rem Stamm­va­ter Abra­ham. Das ist etwa so 3800 Jah­re zurück — bevor der Islam über­haupt auf der Welt gewe­sen. Und auch als die Juden spä­ter, 3000 Jah­re zurück, nach Isra­el gekom­men und spä­ter in Jeru­sa­lem den Tem­pel gebaut haben — das ist doch klar, daß das war ein jüdi­scher Tem­pel und kein mus­li­mi­scher Tem­pel. Das ist ein jüdi­sches Patent, eine jüdi­sche Erfin­dung ! Das ist doch nicht zu diskutieren! 

Und Mus­ta­fa Abu Sway, der Phi­lo­so­phie-Pro­fes­sor aus Ost-Jeru­sa­lem, sagt:

ABU SWAY Histo­ry tells us that you might loo­se what you have … Die Geschich­te sagt uns: Man kann alles schnell wie­der los­wer­den, was man hat … I real­ly don’t care how you call the poli­ti­cal sys­tem. I’m not a big fan of names. I real­ly care less, whe­ther it is a Mos­lem or a Jew or a Chris­ti­an who’s giving orders…

Mir ist es gleich, ob ein Mos­lem, ein Jude oder ein Christ regiert, sagt Pro­fes­sor Abu Sway. Aber ich möch­te als Mensch behan­delt wer­den — ob in Isra­el oder Palästina ! 

Und ein Tep­pich­händ­ler in der Altstadt:

HÄNDLER  It’s only con­flict bet­ween offi­ci­al parts from Chris­ti­ans, Jews and Mos­lems, becau­se of their own busi­ness and inte­rests, which is lea­ding the poor peo­p­le into desas­ters…

Egal ob Chris­ten, Juden oder Mos­lems — Es sind immer die da oben, die uns arme Leu­te ins Unglück stürzen! 

TASTATURMAUS 

Ein Online-Semi­nar aus Brook­lyn. Gene­sis — Kapi­tel 1, Vers 1. — 15, 1 Kilo­byte, Real Audio:

STIMME DES RABBI (ERZÄHLER ÜBERSETZT) The day will come, when the Jews will be going to enter the land of Isra­el, and they will cla­im the land from the Cana­ni­tes living here … Und die Juden nah­men den Kanaa­ni­tern das Land weg … And they will say: Why are you taking our land ? Like the Arabs say: Why are you taking our land ? … Und so fra­gen heu­te auch die Ara­ber: War­um nehmt ihr uns das Land ? … And the ans­wer we say — which is the only ans­wer that Ben Guri­on could say to the Arabs who clai­med: Why are you taking our land ?: “The Bible ! The Bible is the word of God !“… Schon Ben Guri­on hat­te nur eine Ant­wort: Die Bibel ! Das Wort Got­tes ! … God crea­ted it ! And he took it from hea­ven and he gave it as the pro­mi­sed land to us, the Jewish peo­p­le ! … Gott gab uns das gelob­te Land — uns, den Juden!

STIMME DES FREMDENFÜHRERS IM TUNNEL (ERZÄHLER ÜBERSETZT)
We are right now stan­ding direct­ly across from whe­re the Holy of Holy­est was in the temp­le … Hier war das Aller­hei­ligs­te … The holy­est place on earth for the Jewish peo­p­le. For man­kind … 
Der hei­ligs­te Ort für die Juden, für die Mensch­heit … This is as clo­se that we can come … Hier sind wir ihm am nächs­ten … Just take time … few moments … if you have a pray­er … if you have any­thing to ask … if you want to speak to the Crea­tor. This is the place to do it ! … Wenn Sie mit Ihrem Schöp­fer spre­chen möch­ten — dann jetzt! 

(…)

EIN KNABE LIEST AUS DER THORA. DIE LEIDENSCHAFTLICHE ANSPRACHE EINES RABBI:

Seno­res e seno­ras — por favor ! Plea­se lis­ten to me ! Today is the big­gest day of Mau­rice Sas­son ! El com­plo tre­ce annos e un dia…”

Mau­rice Sas­son aus Mexi­ko ist heu­te 13 und einen Tag. Kein Kind mehr — sagt der Onkel aus Amerika.

De hoy Mau­rice Sas­son no mas a child — no more baby ! Mau­rice Sas­son is a man ! (…) Keep on going on the same line…!”

TÖNE EINER SCHOFAR.

Einer bläst das Wid­der­horn, die Schof­ar. Und jetzt alle vor die Video-Kamera!

MUSIKANTEN. RHYTHMISCHES KLATSCHEN.

Was am Mor­gen des 7. Juni 1967 an die­ser Stel­le geschah, nen­nen die einen „Befrei­ung“, die ande­ren aber „Nakhbah“, die Kata­stro­phe. Isra­el hat­te die Jor­da­ni­er ver­trie­ben. Der Sechs­ta­ge­krieg, von ara­bi­schen Nach­barn begon­nen, war so gut wie zu Ende. Oliv­grü­ne Sol­da­ten bete­ten und wein­ten da vorn an der Mau­er. „Unse­re Fall­schirm­jä­ger stan­den vor der Mau­er wie ins Trance“, erin­ner­te sich spä­ter Gene­ral Uzi Sarkiss. 

Immer mehr Israe­lis dräng­ten in den nächs­ten Stun­den Rich­tung Tem­pel­berg. Hier, vor der Mau­er, im Magre­bi-Vier­tel, wo die Nord­afri­ka­ner wohn­ten, war nur eine schma­le, stin­ken­de Gas­se, fünf Meter breit. Tage spä­ter gab es das Vier­tel nicht mehr. Über Nacht hat­ten Bull­do­zer die 136 Häu­ser ein­ge­eb­net. 600 Fami­li­en waren obdach­los. Nach eini­gen Mona­ten ver­schwand auch die Abu-Saud-Stra­ße, in der Jas­sir Ara­fat als Kind gespielt hatte. 

KEYBOARD / COMPUTERGERÄUSCH

Denn sie­he, es steht geschrieben …

ERZÄHLER (ZITIERT) „Jewish fun­da­men­ta­lists plan to demo­s­lish the noble Al-Aqsa Mos­que and build their Jewish temp­le in its place. More than thousand peo­p­le will attend an annu­al mee­ting of the ‘Buil­ders of the Third Temple’… 

Vor jüdi­schen Fun­da­men­ta­lis­ten warnt die­se Home­page in den Far­ben Paläs­ti­nas. Zum Jah­res­tref­fen der ‘Erbau­er des Drit­ten Tem­pels’, der den Platz der Al-Aqsa Moschee ein­neh­men soll, haben sich über 1000 Radi­ka­le ange­mel­det… 

(GERSHON SALOMON LIEST JESAJA, KAPITEL 2, VERSE 2 UND 4 — HEBRÄISCH)

Das ist Gershon Salo­mon, Grün­der und Füh­rer der „Getreu­en des Tem­pel­bergs“, frü­her Offi­zier. In einem Grenz­ge­fecht mit Syri­en, 1958, über­roll­te ihn ein Pan­zer und er ver­lor ein Bein. Der größ­te Augen­blick in sei­nem Leben, sagt er, war die Befrei­ung Jeru­sa­lems. Auf Krü­cken stand er vor der Kla­ge­mau­er. Seit damals kennt er nur ein Ziel: den Bau des Drit­ten Tem­pels. Es gibt auch schon reich­lich Tempelgerät.

SALOMON (ERZÄHLER ÜBERSETZT) Now here I want to show you the incen­se (ÖFFNET EINEN SCHRANK) … In the Bible God is spea­king about ele­ven kinds of incen­se… Elf Sor­ten Weih­rauch, streng nach bibli­schen Rezep­ten … It smells very good … This is for ins­tance the cin­na­mon … Zimt ! … You can smell it (AUTOR SCHNÜFFELT)…

Salo­mons Haupt­quar­tier ! Eine skur­ri­le, etwas ärm­li­che und enge Welt in einem Hin­ter­haus der Neu­stadt, gleich neben der beleb­ten Jaf­fa Road. Auf durch­ge­bo-genen Rega­len sta­pel­wei­se Flug­blät­ter, Pla­ka­te, Auto­auf­kle­ber: „DER TEMPEL-BERG MUSS BEFREIT WERDEN!“ 

Er selbst: ent­waff­nend sanft für einen Auf­rüh­rer, der immer wie­der so beängs­ti­gen­de Schlag­zei­len macht. Ein fröh­li­cher Schnurr­bart. Und die freund­lichs­ten Kin­der­au­gen der Welt. Sie leuch­ten, wenn er ins Erzäh­len kommt — beson­ders von den letz­ten Dingen.

SALOMON / ERZÄHLER Salo­mon God, when he speaks about the end times, he’s spea­king about a war which the Pro­phet calls it Gog-and-Magog-war … Gott spricht vom apo­ka­lyp-tischen Krieg gegen Gog und Magog — das Böse schlecht­hin … We are living now in time of redemp­ti­on of the Jewish — the Israe­li nati­on. The pro­phe­ts call it the end times. The last days … Die jüdi­sche Nati­on wird wie­der­auf­er­ste­hen … I belie­ve, when you will come for your next visit in Isra­el, this you will see on the Temp­le Mount and in Jeru­sa­lem ! (LACHT

Wenn Sie nächs­tes Mal nach Jeru­sa­lem kom­men, sagt Herr Salo­mon hei­ter und zeigt auf eine Com­pu­ter­mon­ta­ge, die den neu­en Tem­pel an Stel­le der Al-Aqsa Moschee zeigt — dann wer­den Sie das hier sehen! 

Macht er Scherze ? 

SALOMON / ERZÄHLER Very real, very prag­ma­tic ! … Von wegen. Das ist alles blu­tig ernst gemeint … The Arab occu­pa­ti­on of this land, the land of Isra­el … Jeru­sa­lem … and the Temp­le Mount espe­ci­al­ly should be finis­hed ! Höchs­te Zeit, dass wir die ara­bi­sche Beset­zung ein für alle mal been­den ! The Arabs are here foreigners… 

Das sind Frem­de hier … They rob­bed this place from the Israe­li nati­on … Sie haben die­sen Ort geraubt. Machen wir uns doch nichts vor, sagt Gershon Salo­mon, und sei­ne blau­en Kin­der­au­gen leuch­ten: Der Krieg steht vor der Tür… 

MAGEN BROSHI The tra­gic thing about Solo­mon and his fel­lows is, that the man does not belie­ve in God … Das Tra­gi­sche an Salo­mon, meint Magen Bro­shi, der frü­he­re Kura­tor der Qum­ran-Rol­len im Isra­el-Muse­um: Die­ser Mann glaubt nicht an Gott … It’s all neat natio­na­lism … Alles blan­ker Natio­na­lis­mus! 


BEN DOV / ERZÄHLER Tho­se are no Jews ! … Das sind gar kei­ne rich­ti­gen Juden, sagt der Schrift­stel­ler und Archäo­lo­ge Ben Dov … They want some­thing to feel, to touch, to see …Die brau­chen immer was zum Füh­len, zum Anfas­sen, zum Sehen… 


MAGEN BROSHI / ERZÄHLER We live still in a mad­house … I don’t have to tell you how dan­ge­rous things like this (are), when you are ming­ling poli­tics and reli­gi­on and natio­na­lism … Muß ich Ihnen sagen, wie gefähr­lich es ist, Poli­tik und Reli­gi­on zu ver­men­gen ? … This is real dyna­mi­te ! … Das reins­te Dyna­mit ! … One man can set fire … Es reicht, wenn einer mit dem Feu­er spielt!

KEYBOARD / COMPUTERGERÄUSCHE

Und sie­he, es steht geschrie­ben … Gershon Salo­mon schickt eine Blitz­mel­dung:

„Ter­ri­ble Des­truc­tion on the Temp­le Mount … Schreck­li­che Zer­stö­rung auf dem Tem­pel­berg … Arabs have dug 10 meters — 33 feet — deep over a lar­ge area next to the so cal­led Solomon’s Sta­bles …Für einen wei­te­ren Ein­gang zur neu­en Moschee in den soge­nann­ten ‘Stäl­len Salo­mons’, der größ­ten Moschee des Mitt­le­ren Ostens, haben Ara­ber den Tem­pel­berg 10 Meter tief auf einer gro­ßen Flä­che abgetragen… 

Ein erneu­ter Ver­such, jüdi­sche Iden­ti­tät und 2000 Jah­re alte Spu­ren aus­zu­lö­schen … Heu­te abend demons­trie­ren wir gegen die­se Bar­ba­rei …Wenn ich Dein ver­ges­se, oh Jeru­sa­lem, ver­dor­re mei­ne rech­te Hand!“

 

UNTER DEN LETZTEN SÄTZEN: KIDRON-VALLEY-DEMO EINBLENDEN

Und da mar­schie­ren sie durch Ost-Jeru­sa­lem — die radi­ka­len „Frau­en in Grün“, mar­tia­li­sche Grup­pen wie „Hüter der Stadt“ und „Zhot arzenu“ („Das ist unser Land“) und „Jeru­scha­lay­im Schel­a­nu“ („Jeru­sa­lem gehört uns“). Und die Stu­den­ten aus der Jes­hi­wa „Ater­et Coh­anim“, „Kro­ne der Pries­ter“ — eine Art Trai­nings-Camp für den Dienst im Drit­ten Tem­pel. Und natür­lich die „Getreu­en des Tem­pel­bergs“. Fackeln und Fah­nen. Sie nen­nen es „Alya“ wie die ers­ten Zio­nis­ten — „Land­nah­me“, „Besie­de­lung“. 

Ein Stoß­trupp, vor­ders­te Linie. Hier im paläs­ti­nen­sisch besie­del­ten Kidron-Tal wohnt der Feind. Auf­rei­zen­des Front­ge­fühl. Jun­ge kräf­ti­ge Män­ner mit Brook­lyn-Akzent tra­gen Cow­boy-Stie­fel und Gebets­rie­men. Eine Frau hält das Com­pu­ter-Bild des Drit­ten Tem­pels wie eine Iko­ne. Die Teen­ager des Stadt­teils drän­gen sich in Grup­pen hin­ter Sperr­ket­ten aus gleich­alt­ri­gen israe­li­schen Sol­da­ten. Coo­le Sprü­che flie­gen hin und her. Signal­la­ter­nen blin­ken Nach­rich­ten von einem Hang des Tals zum andern.

BETENDE MÄNNER, STIMMENGEWIRR, GERÖLL

Hin­ter einem Git­ter gegen Stein­wür­fe geschützt, dre­hen Akti­vis­ten jeden Bro­cken vol­ler Andacht hin und her.

BEGEISTERTER APPLAUS / LAUTSPRECHER-STIMME (NADIA MATAR, HEBRÄISCH)

Das ist Nadia Mat­ar, die Jean d’Arc der Sied­ler­be­we­gung … “Tau­sen­de sind her­ge­kom­men, das beweist unse­re Schlag­kraft“, schreit sie in das Mikro­phon. Sie ver­flucht Mos­he Dajan, der die Fah­ne Isra­els vom Tem­pel­berg ent­fernt hat. Sie zer­reist „die schänd­li­che Ver­ein­ba­rung von Oslo“. Schießt auf den Pre­mier. Gif­tet gegen all die Weich­lin­ge in der Regie­rung, die der Welt die Stie­fel lecken. „Schluss damit ! Der Tem­pel­berg muss wie­der unser sein!“

… Die­ser strah­len­de Berg da drü­ben — durch die nächt­li­che Effekt-Beleuch­tung wie das Mär­chen­schloss in einem Dis­ney-Film. Ein magi­scher Ort. Und immer ein Ort der Gewalt. Wie 1970: Salo­mons „Getreue“ pro­vo­zier­ten eine Kei­le­rei mit duzen­den Ver­letz­ten. Oder 20 Jah­re spä­ter — an jenem 8. Okto­ber 1990. 

Ein Mon­tag. Ers­ter Tag des Laub­hüt­ten­fes­tes Suk­kot — das jüdi­sche Ern­te­dank­fest. Heu­te sei der Tag der Grund­stein­le­gung für den Drit­ten Tem­pel, oben auf der Platt­form, hat Gershon Salo­mon auf Flug­blät­tern ver­brei­tet. Der Ver­such war mehr­fach fehl­ge­schla­gen. Dies­mal aber hand­le man mit Zustim­mung des Obers­ten Gerichts.

M. Z. (ARABISCH)

Die­ser frü­he­re Leh­rer aus einem Dorf am Stadt­rand Jeru­sa­lems, der nicht genannt wer­den will, erin­nert sich noch an die Wor­te des ört­li­chen Sheikh: „Wir müs­sen die Moschee beschüt­zen !“ … Wir wuss­ten, dass etwas geplant war, sagt er. Und vie­le mach­ten sich auf den Weg — auch mei­ne Schwes­ter, Mut­ter von neun Kin­dern, und ihr 20jähriger Sohn.

3000 Mos­lems gelan­gen trotz stren­ger Kon­trol­len auf den Haram. 18 Meter tie­fer, vor der Kla­ge­mau­er, beten 20 000 Juden. 

Nach ara­bi­scher Dar­stel­lung bewegt sich ein Stoß­trupp der „Getreu­en des Tem­pel­bergs“ direkt auf das Tor des Haram zu, schein­bar unbe­hin­dert durch die Polizei.

M. Z. (ARABISCH)

Die ortho­do­xen Juden kamen durch das Tor von Wes­ten, sagt der alte Mann. Sie dräng­ten Rich­tung Moschee. Die Mos­lems fin­gen an, zu beten: „Alah u akbar ! Gott ist grö­ßer — grö­ßer als alles !“ Eine ver­irr­te Trä­nen­gas­gra­na­te explo­diert mit­ten in einer Grup­pe mos­le­mi­scher Frauen. 

M. Z. (ARABISCH

Die Mos­lems ver­tei­dig­ten sich nur mit Stei­nen, sagt der alte Mann. Mein Nef­fe sah einen Sol­da­ten, der auf mei­ne Schwes­ter anleg­te. Er rief noch: “Nicht schie­ßen !” Aber der schoss ihr genau ins Gesicht, meh­re­re Kugeln. Vier oder fünf tra­fen ihn selbst — ihren Sohn. Mei­ne Schwes­ter war gleich tot. Nach der offi­zi­el­len israe­li­schen Ver­si­on wer­den an die­sem Mon­tag 17 Mos­lems erschos­sen und mehr als 100 ver­letzt. Die Paläs­ti­nen­ser zäh­len 22 Tote und 400 Verwundete..

An meh­re­ren Orten der beset­zen Gebie­te kommt es nach dem „schwar­zen Mon­tag“ zu Mas­sen­de­mons­tra­tio­nen. Ara­bi­sche Extre­mis­ten schlach­ten rund ein Dut­zend Israe­lis ab.Die gericht­li­che Unter­su­chung des Mas­sa­kers bestä­tigt das ein­deu­ti­ge Ver­sa­gen der Poli­zei und der ein­ge­setz­ten Grenz­trup­pe. Den­noch wird nie jemand ange­klagt. Jah­re spä­ter über­weist der Staat den Hin­ter­blie­be­nen jeweils 10 000 Sche­kel, 5000 Deut­sche Mark.

ABENDSTIMMUNG IN DER ALTSTADT: POLIZEISIRENEN / DIE GLOCKEN DER EVANGE-LISCH-LUTHERISCHEN ERLÖSERKIRCHE / GERÄUSCHE EINES REISIGBESENS

Bibli­sche Ruhe sinkt über das „Jüdi­sche“ und das „Mos­le­mi­sche“ und das „Christ­li­che Vier­tel“ der Alt­stadt. Zeit die Ker­zen anzu­zün­den. Zeit für das Abendgebet. 

EINE FRAU SPRICHT DIE BRACHA, EIN MANN SINGT DEN ANFANG EINER KORANSURE. INNERES EINER JERUSALEMER REFORM-SYNAGOGE: GEMEINDEGEBET UND GESANG
DER GOTTESDIENST GEHT ZU ENDE / STIMMEN: „SHABBAT SHALOM !“ — „SHABBAT SHALOM !“ — „SHABBAT SHALOM!“



Jeri­cho
Haupt­stadt der Ungeduld 

(SFB / NDR / SR 1994) DAS GOLDENE KABEL (1995)

Erzähler/in: Car­men-Maja Anto­ni, Peter Simo­ni­schek – Dau­er 57:04

Ein kur­zer Manuskriptauszug:


ANSAGE Das Wun­der geschah am 13. Sep­tem­ber 1993 vor dem Wei­ßen Haus in Washing­ton. Zögernd und jede Gemüts­re­gung ver­ber­gend, reich­te Jiz­hak Rabin, Minis­ter­prä­si­dent Isra­els, dem Füh­rer der Paläs­ti­nen­si­schen Befrei­ungs­or­ga­ni­sa­ti­on, Jas­sir Ara­fat, die Hand. An die­sem Tag ent­stand der Plan zu einer Sen­dung mit dem Titel „Jeri­cho – Haupt­stadt des Wun­ders“. Denn jener klei­ne Ort im Jor­dan­tal soll Sitz einer Art Über­gangs­re­gie­rung wer­den, des paläs­ti­nen­si­schen Rats. Mona­te ver­gin­gen, Mona­te des Schre­ckens. Blu­ti­ge Mona­te im Gaza­strei­fen und in West­jor­da­ni­en. Auch in Jeri­cho. Die Begeis­te­rung des 13. Novem­ber wur­de schal. Nun end­lich hat die israe­li­sche Besat­zung ihren Wacht­pos­ten in Jeri­cho geräumt.
Aber ist das schon der Friede?“


ERZÄHLER Die 30-Kilo­me­ter-Fahrt im Sam­mel-Taxi von Jeru­sa­lem nach Jeri­cho kos­tet fünf Neue She­kel. Das Taxi ist ara­bisch. Es hat blaue Num­mern­schil­der. Zu den Sied­lun­gen der West­bank mie­tet man ein israe­li­sches mit gel­ben Num­mern­schil­dern. Kos­ten­punkt 100 She­kel. Kein Ara­ber fährt dich dorthin.

DER WAGEN HÄLT ANUNTERHALTUNG DES FAHRERS MIT EINEM WACHPOSTENDANN LEBHAFTER DIALOG ÜBERSPRECHFUNK.

Miz­peh Jeri­cho – die jüdi­sche Sied­lung auf der “Höhe über Jeri­cho” – reckt ihren schlan­ken, hohen Was­ser­turm wie einen Droh­fin­ger zum Him­mel: “Die­ser Hügel ist besetzt !”

(…)

STIMME DES IMAM

In jener Nacht vor über tau­send Jah­ren” – so erläu­tert der Imam die Absicht Got­tes – “schuf Allah die Klam­mer zwi­schen Mek­ka und Jeru­sa­lem (…) Und seit damals ist uns Paläs­ti­na hei­lig. Und am kost­bars­ten ist uns Jeru­sa­lem. In Ewigkeit“.

Die Moschee von Jeri­cho riecht neu, nach Kalk und Mör­tel und jor­da­ni­schen Dinar. 

Drei Mil­lio­nen hat der Pracht­bau angeb­lich gekos­tet. Das Mina­rett ragt an die 40 Meter hoch, kalk­weiß. Land­mar­ke und Droh­fin­ger. Wie der Was­ser­turm da oben in der Siedlung… …

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