Auch ich war ein Bittschön

I ja bylem „Pro­sze­bard­zo“ / Orts­ter­min im frü­he­ren Sudetenland 


MDR/SFB mit dem Tsche­chi­schen Rund­funk, Pro­gramm “Vlta­va” (1993) – Dau­er 52:20 

MDR/SFB/Tschechischer Rund­funk, Pro­gramm “Vlta­va”, 1993
Ers­te Fea­ture-Kopro­duk­ti­on nach der poli­ti­schen Wen­de
  

Dau­er: 52:20

Spre­cher der deut­schen Fas­sung: Peter Simo­ni­schek

Das Fea­ture war 1995 auch Anlass einer vier­stün­di­gen Live-Sen­dung des Pra­ger Rund­funks mit dem Titel „Sude­ten­deut­sche Schick­sa­le“ aus dem Kul­tur­haus in Šum­perk / Mähr. Schön­berg mit dem Autor, Heid­run Kopetz­ky, Redak­teur Zde­nek Boucek und Bür­gern der Stadt.



AUS DEM MANUSKRIPT:

Erzäh­ler An die Stadt­ver­wal­tung in Šum­perk, Frie­dens­platz 1, Tsche­chi­sche Repu­blik. Betrifft: die Lie­gen­schaf­ten Dobrovs­ký­stra­ße Num­mer 40 und Gene­ral-Svo­bo­da-Platz Num­mer 2.

Sehr geehr­te Damen und Her­ren ! Hier­mit ver­zich­te ich in aller Form vor­sorg­lich auf jeden Anspruch, der mir — auch bei Ände­rung der Rechts­la­ge im Ver­hält­nis der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land zur Tsche­chi­schen Repu­blik – aus oben genann­ten Ver­mö­gens- und Sach­wer­ten erwach­sen sollte.

MARSCHMUSIK (SUDETENDEUTSCHER TAG) LANGSAM EINBLENDEN

Grün­de: Ich wur­de 1940 in der Dobrovs­ký­stra­ße Num­mer 40, damals Len­au­gas­se, gebo­ren. Šum­perk, damals Mäh­risch-Schön­berg, gehör­te seit dem soge­nann­ten “Anschluss des Sude­ten­lan­des” 1938 zum Deut­schen Reich.

Mei­ne Fami­lie väter­li­cher­seits besaß ein Pelz­ge­schäft auf dem Gene­ral-Svo­bo­da‑, damals Eichel­bren­ner-Platz Num­mer 2. 1946 bin ich – einer unter drei­ein­halb Mil­lio­nen Deut­schen – aus der damals wie­der­errich­te­ten Tsche­cho­slo­wa­kei in das ehe­ma­li­ge Reichs­ge­biet, heu­te Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, zwangs­wei­se umge­sie­delt worden.

Laut­spre­cher­stim­me (EINZUG DER TRACHTENGRUPPEN) … Und nun kommt die Sude­ten­deut­sche Jugend Berlin …

Herz­lich will­kom­men die Sude­ten­deut­sche Jugend Öster­reichs … Wir begrü­ßen die Arbeits­ge­mein­schaft Sude­ten­deut­scher Stu­den­ten … Nun kom­men die Böh­mer­wäld­ler — herz­lich willkommen ! …

Erzäh­ler Sie wer­den sich vor­stel­len kön­nen, ver­ehr­te Damen und Her­ren im Šum­per­ker Rat­haus: Dies war kein all­zu guter Start ins Leben.

Die “Reichs­deut­schen” nann­ten uns “Bitt­schöns”. Denn wir kamen als Habe­nicht­se. Des­halb waren unse­re Leu­te ganz beson­ders höf­lich. Bei jeder Gele­gen­heit sag­ten sie: “Bitt­schön !” — “Dank­schön !” — “Dank­schön !” — “Bitt­schön !”

Laut­spre­cher­stim­me …Und nun zum Abschluss noch der Höhe­punkt: die Sude­ten­deut­sche Lands­mann­schaft New York mit ihrer Fahne ! …

BEIFALL. MARSCHMUSIK.

Erzäh­ler Das alles ist nun lan­ge her. Seit bei­nah 50 Jah­ren woh­ne ich in West­deutsch­land. Ich habe hier gehei­ra­tet. Mein Sohn ist 17 Jah­re alt und wur­de in Ber­lin gebo­ren. Doch jedes Jahr zu Pfings­ten m u s s ich mich erin­nern. Dann wird die Zeit zurück­ge­dreht. Dann ist Suden­ten­deut­scher Tag.

Red­ner … Sehr geehr­te Ehren­gäs­te, lie­be Lands­leu­te ! Mit Ihrem Erschei­nen legen Sie ein macht­vol­les Bekennt­nis zu Hei­mat, Recht und Gerech­tig­keit ab. “Ver­trei­bung äch­ten, Hei­mat­recht ach­ten !” So lau­tet das Mot­to die­ses Sude­ten­deut­schen Tages. Mit unse­rem Mot­to for­dern wir die Aner­ken­nung des Hei­mat- und Selbst­be­stim­mungs­rech­tes sowie des Rech­tes auf per­sön­li­ches Eigentum …

Erzäh­ler Da reden sie an mei­ner Statt. Da drü­cken sie für mich Gefüh­le aus. Da for­dern sie in mei­nem Namen — “W i r Sudetendeutschen !”

Red­ner  Wie unser ver­ehr­ter Freund und Mit­strei­ter Otto von Habs­burg es ein­mal for­mu­liert hat, lie­be Lands­leu­te: Die Geschich­te kennt kei­nen Schluss-Strich !

STARKER BEIFALL

Erzäh­ler So vie­le “Bitt­schöns” — 30 000 unter einem Dach ! Ich bin kein Freund von Men­schen­mas­sen. Auch stört mich die­se insze­nier­te Back­obst­stim­mung, die­ses Fich­ten­na­del-Pathos. Lasst die Toten ruhen ! Was war, das war. Manch­mal hät­te ich schon gro­ße Lust, die Ver­zichts-Erklä­rung an das Amt in Šum­perk wirk­lich abzu­schi­cken. Schluss-Strich, Punkt und aus.

SUDETENDEUTSCHER TAG / STIMMENGEWIRR

Und dann — dann hör’ ich die­se Spra­che wie­der — “Para­dei­ser”, “Topf’n”, “Kreen”, “Faschier­tes”, “Erep­p’l” und “Sem­m’l­sch­morrn”, “Duchent”, “Kar­fi­ol”, “Fisol’n” — über­all die Stim­men mei­ner Groß­el­tern. Und ich füh­le: Nix zu machen — du gehörst dazu ! Ein­mal “Bitt­schön” — immer “Bitt­schön”.

SCHRITTE IN EINEM TREPPENHAUS. STIMMEN.

In Prag nahm ich Jar­ka an Bord, eine Kol­le­gin vom tsche­chi­schen – frü­her tsche­cho­slo­wa­ki­schen – Rund­funk, neu­er­dings Aus­län­de­rin mit slo­wa­ki­schem Pass. Ich brauch­te ihre Hil­fe. Denn ich fuhr ja durch ein frem­des Land.

STIMMEN. ANKLOPFEN. EINE TÜR WIRD GEÖFFNET.

Jar­ka (TSCHECHISCH) Sagt Ihnen der Name Kopetz­ky etwas ?

SCHRITTE, STIMMEN UND ANDERE GERÄUSCHE IN TREPPEN-HÄUSERN (…)

Erzäh­ler Gleich an unse­rem zwei­ten Tag in Šum­perk gin­gen wir ins Rathaus.

BEGRÜSSUNG UND DIALOG, TSCHECHISCH

Wir fan­den ein Adress­buch aus dem Jahr 1940. Mein Geburtsjahr!

Kopetz­ky (BLÄTTERT, LIEST) Hee­res­stand­ort­ver­wal­tung … Indus­trie- und Han­dels­kam­mer … Reichs­ar­beits­dienst … Werkluftschutz …

Jar­ka Wie hieß die Straße ?

Kopetz­ky Lenaugasse.

Stim­men … Niko­laus Len­au … Len­au­gas­se ? … Nó !

Jar­ka  Sie heißt jetzt Dobrovs­ký­stra­ße. Das Haus soll noch stehen.

Kopetz­ky (liest) … Schu­bert .… Ros­si­pal … Schmidt … Kubit­schek … Wag­ner … Sedlat­schek … Stan­zel, Johann ! 40 … Hier ist Num­mer 40 ! Stan­zel, Johann — das war mein Großvater

IM FAHRENDEN PKW

Erzäh­ler Wir fuh­ren gleich hin.

Jar­ka  Also hier begin­nen schon neue Häu­ser … 36 … 38 …

Kopetz­ky (AUFGEREGT) Ja … ja … 40 !

Jar­ka Schau’n Sie mal — das ist eine Überraschung !

Kopetz­ky Das gibt’s doch nicht !

DAS AUTO HÄLT, DIE TÜR WIRD GEÖFFNET.

Erzäh­ler  Vor dem Grund­stück Num­mer 40 park­te ein Ber­li­ner Auto. Ich sel­ber woh­ne in Ber­lin — seit 25 Jahren !

AUTOTÜR WIRD ZUGESCHLAGEN. BLEIBT: DIE AKUSTIK EINER STILLEN VORSTADTSTRASSE MIT SPATZENGEPLÄRR.

Erzäh­ler Da stand ich vor besag­ter Lie­gen­schaft, ein Zwei-Fami­li­en-Haus, gedeckt mit schwar­zem Schie­fer. Alles — bis auf den Gara­gen­an­bau — wie auf alten Fotos. Mein Geburtshaus.

Man erwar­tet Rüh­rung. Im all­ge­mei­nen bin ich kein Gefühls­klotz. Aber — die Ergrif­fen­heit hielt sich in Gren­zen. Bei jeder Ankunft in Ber­lin nach lan­ger Rei­se regt sich mehr in mei­nem Brustkorb.

Im ers­ten Stock­werk ging ein Fens­ter auf. Da wohn­ten ein­mal mei­ne Großeltern.

DIALOG, TSCHECHISCH

Jar­ka Soll er runterkommen ?

Erzäh­ler  Sie fra­gen, ob sich gar nichts in mir abspiel­te — in die­sem Augen­blick. Nach 46 Jah­ren ! Doch. Ich habe einen Film gese­hen. Schwarz-weiß und ganz ver­reg­net, vol­ler Kratzer.

DIE VORSTADT-KULISSE VERSCHWIMMT

Da ist die­se holp­ri­ge Stra­ße. Am Bild­rand fan­gen schon die Fel­der an. Die Son­ne scheint, man sieht es an den Schat­ten. Ich bin fünfeinhalb.

Ein klei­ner Lei­ter­wa­gen ist mit Taschen, Bün­deln voll­ge­packt. Ich sit­ze oben­auf. Neben mir ein Topf mit Milch. Sie scheint zu dampfen.

Wie viel Leben passt auf einen sol­chen Kar­ren ? Ant­wort: 140 Kilo — 35 pro Per­son. Die das über­wa­chen, ste­hen seit­lich, jun­ge Män­ner mit Geweh­ren. Rauchend.

Auf dem Film noch mei­ne Mut­ter und die Groß­el­tern. Sie wei­nen. Dann ergreift der Groß­va­ter die Deich­sel. Mut­ter schiebt. Ich sehe, wie der Lei­ter­wa­gen aus dem Bild rollt — ich als Kutscher.

STEREO-KULISSE WIE ZUVOR. DIE TÜR WIRD GEÖFFNET. DIALOG, TSCHECHISCH

Erzäh­ler Uns öff­ne­te ein Poli­zei­be­am­ter aus Ber­lin-Hel­lers­dorf. Dann erschie­nen sei­ne Schwie­ger­el­tern, Herr und Frau Tes­sar, jetzt Besit­zer die­ses Hauses.

Kopetz­ky In die­sem Haus bin ich geboren.

Der Ber­li­ner In die­sem Haus ?

DIALOG, TSCHECHISCH

Jar­ka Wenn Sie sich das anse­hen möchten …

Kopetz­ky Ja, ja !

TÜRGERÄUSCHE, SCHRITTE IM TREPPENHAUS. GELÄCHTER.

Erzäh­ler Ich dach­te — wäh­rend ich auf Lan­des­art im Flur die Schu­he aus­zog: Nun betrittst du also unter Füh­rung eines deut­schen Staats­die­ners auf Urlaub dein Geburts­haus — und zugleich das Eltern­haus der jun­gen Tsche­chin, die jetzt sei­nen deut­schen Namen trägt — und ihrer Kin­der. Und sie haben nie von dir gehört.

Jar­ka Wo wol­len Sie anfangen ?

Kopetz­ky Egal.

Der Ber­li­ner Das ist noch so wie’s war … Das war das Schlaf­zim­mer … 
Die Möbel sind alle neu …

DIE KULISSE VERSCHWIMMT

Erzäh­ler Und wie­der lief der Film in mei­nem Kopf: Ich auf allen Vie­ren, noch kein Jahr alt. Auf dem Tep­pich lie­gen Aus­schnei­de­fi­gu­ren mit Hakenkreuz.

Mut­ter liest einen Brief: “Wie schön muss es sein”, schreibt mein Vater aus Russ­land, “wie der klei­ne Kerl das Händ­chen schon zum Deut­schen Gruß hebt Schnitt. Drei Tage spä­ter: “Sehr geehr­te Frau Kopetz­ky … fällt mir schwer, mit­zu­tei­len … in den Kopf getrof­fen … Hel­den­tod … Die Bat­te­rie ver­liert in Ihrem Gat­ten…” Schnitt.

Frem­de Leu­te zie­hen bei uns ein, eine tsche­chi­sche Fami­lie mit drei Kin­dern. Wir dür­fen nur noch die­sen einen Raum bewoh­nen — mei­ne Mut­ter, mei­ne Groß­el­tern und ich.

ERINNERUNGS-KULISSE WEG

Erzäh­ler … Die­sen Raum ! Hier ver­brach­ten wir das letz­te Jahr in Mährisch-Schönberg

Frau Tes­sar (JARKA ÜBERSETZT) Wie mein Vater erzählt hat, haben die Deut­schen geweint, als sie das ver­las­sen mussten.

Herr Tes­sar Als wir hier­her kamen im Jah­re 48, waren alle Deut­schen schon weg. Hier war nie­mand mehr. Leer konn­te es hier nicht blei­ben. Und so sind wir auf­ge­ru­fen wor­den, von Lito­var hier­her zu kom­men und das zu beset­zen. Ich den­ke, mei­ne Mut­ter hat damals 120 000 Kro­nen für die­ses Haus bezahlt. An den Staat. Das war viel Geld.

DIALOG, TSCHECHISCH

Erzäh­ler Wäh­rend ich so zuhör­te und nichts ver­stand, wan­der­ten die Augen durch die Obst­gär­ten der Nach­bar­häu­ser — auf die Stra­ße — zu den Hügeln.
Lebens­lang ver­trau­te Ansich­ten: Kalen­der­bil­der, Post­kar­ten­mo­ti­ve. Ein Gemen­ge aus Erzähl­tem und Erinnertem.

Mei­ne Hei­mat — und ? Was soll­te ich dar­aus nun ablei­ten ? Waren die­se Apfel­bäu­me, die­se Stra­ße, die­se Hügel des­halb deutsch ? Mir fehlt ein­fach der Sinn für Stamm­bäu­me und Grund­buch­aus­zü­ge. Als ich hier durch Zufall auf die Welt kam, war ich nackt — wie ein Tscheche.

Kopetz­ky Wie kommt Ihnen das eigent­lich vor, wenn wir hier plötz­lich auf­tau­chen und all’ die Fra­gen stellen ?

Frau Tes­sar (JARKA ÜBERSETZT) Ich hab’ ein etwas dum­mes Gefühl. Wol­len Sie damit sagen, daß Sie hier­her zurück­wol­len, uns das neh­men wol­len — oder ? Man weiß nicht, was man davon den­ken soll … Natür­lich — wenn Sie als ursprüng-licher Inha­ber her­kom­men und es sehen wol­len — dann zei­ge ich es Ihnen. Und damit ist es Schluss.

Erzäh­ler Ich sag­te: Das kann ich ver­ste­hen. Sicher haben Sie uns Deut­sche mehr als Okku­pan­ten in Erin­ne­rung. Herr Tes­sar protestierte.

Herr Tes­sar Ich kann mit die­ser Auf­fas­sung nie­mals ein­ver­stan­den sein. Weil — wenn ich die­se Ein­stel­lung gegen­über den Deut­schen haben soll­te, so wür­de ich nie­mals mei­ne Toch­ter einen Deut­schen hei­ra­ten lassen.

Ich möch­te das auf­lö­sen, völ­lig auf­lö­sen — abschaf­fen, was frü­her war ! Und ich möch­te sol­che Gefüh­le gegen­über den Deut­schen ent­wi­ckeln, wie ich sie gegen­über jeder ande­ren Nati­on habe. Obwohl — mein Vater ist im Kon­zen­tra-tions­la­ger auf dem deut­schen Ter­ri­to­ri­um ums Leben gekom­men. Und ich könn­te Ihnen erzäh­len, was der Krieg war und was Deutsch­land war. 

Frau Tes­sar Die Schwie­ger­mut­ter muss­te dann drei Söh­ne großziehen.

Kopetz­ky War Ihr Vater im Wider­stand gegen die Deutschen ?

Herr Tes­sar Ja, er war im Wider­stand (Par­ti­san).

Kopetz­ky Wie alt waren Sie damals ?

Jar­ka Er ist Jahr­gang 37, also er war fünf Jah­re alt, als man ihm den Vater genom­men hat.

Herr Tes­sar Es ist schon vor­bei … Es ist schon hin­ter uns … Und es ist gut so …

AUSSEN-ATMO. HÜHNERGACKERN.

Erzäh­ler Dann waren wir noch kurz im Gar­ten: Hüh­ner, ein Kar­ni­ckel­stall. Das hät­te mir als Kind gefallen.

Herr Tes­sar An die­ser Stel­le stand ein Zaun, wenn Sie sich noch erin­nern kön­nen. Hier war ein klei­nes Tor und hohe Apfelbäume

Erzäh­ler Groß­mutters Apfel­bäu­me ! Hat­ten sich zu breit­ge­macht. Zu viel Schat­ten. Auch Groß­mutter ist lan­ge tot.

LEBHAFTES GESPRÄCH IM TREPPENHAUS. GELÄCHTER.

Ich glau­be, die Fami­lie Tes­sar war ganz froh, als wir wie­der gin­gen. Ich spür­te die Erleichterung.

In die­ser Stra­ße woh­nen kei­ne Deut­schen mehr, mein­te noch Herr Tes­sar beim Hin­aus­ge­hen. Und ich sag­te: Doch — Ihr Schwiegersohn!

(…)

KLEINE TANZKAPELLE

Erzäh­ler Abends Tanz­mu­sik. Zu Gast eine Sude­ten­deut­sche Leh­rer­grup­pe aus dem Baye­ri­schen. Deut­sche Dirndl, wei­ße deut­sche Kniestrümpfe.

Vor­tän­ze­rin … Eins — zwei — drei — vier — Dre­her … Wie­der gehen ! … Dre­her … Noch­mal ! … Dre­her … Und jetzt, eins — außen tup­fen, innen tup­fen … Dreh’n ! … Außen tup­fen … innen tup­fen… Dreh’n ! Und da geht’s von vorn !

Erzäh­ler Es war eine rüh­ren­de Sze­ne: Die­se lebens­schwe­ren Alten, paar­wei­se ver­klam­mert, mit erhitz­ten Wan­gen. Pol­ka­se­lig­keit. Doch die Vor­kriegs-Schrit­te woll­ten nicht mehr recht gelingen.

MUSIK HOCII

Wie hat­ten sie getanzt, vor 50 Jah­ren bei der Hit­ler­ju­gend und im BDM ! Spä­ter waren deut­sche Tän­ze uner­wünscht, sogar ver­bo­ten — “folk­lo­ris­ti­sches Gehup­fe ohne sozia­lis­ti­sches Niveau” …

MUSIK HOCH

Und jetzt sind sie “zu olt”. Ver­pass­tes Leben ! Jeder Tanz­schritt kra­kel­te ein “Ach-wie-scha­de” aufs Parkett.

Mann Nach 48 sind die­se Deut­schen hier im Lan­de zum dop­pel­ten Feind gewor­den. Ers­tens, weil sie Deut­sche waren — da war immer noch: Was deutsch ist, ist Faschist. Und zwei­tens hat­te jeder von uns einen Ver­wand­ten im west­li­chen, also kapi­ta­lis­ti­schen Aus­land. Und damit wur­de er Spi­on und Sabo­teur und alles mögliche.

Frau Über­all ist man schief ange­se­hen wor­den. In jedem Beruf. Und immer die nied­rigs­te Gehalts­stu­fe. Man konn­te machen, was man woll­te … Und Deutsch durf­te man nicht spre­chen. Wie man auf der Stra­ße deutsch gespro­chen hat, ist man schon ange­pö­belt worden.

(…)

STILLE FRIEDIIOFSATMO. SCHRITTE, VOGELSTIMMEN. ENTFERNTER VERKEHR AUF DER ÜBERLANDSTRASSE.

Kopetz­ky Hier ruht Frau Anna Schim­ke, Fabriks­di­rekt­or­gat­tin — Auf Wie­der­se­hen … Die Fami­lie Sei­del — Ire­ne Reu­ter, gebo­re­ne Sei­del — Max Sei­del — Marie Sei­del — Aga­the Seidel …

Erzäh­ler  Die meis­ten Deut­schen fand ich auf dem Fried­hof. Schlich­te Grab­stei­ne der Schu­berts oder Sei­dels. Und dane­ben, schief und efeu-über­wu­chert, die Fami­li­en­gruf­ten rei­cher Schön­ber­ger Familien.

Kopetz­ky (ENTZIFFERT) … Marie von und zu Eisen­stein, gebo­ren am 28. Okto­ber 1869, gestor­ben 1871 … Dr.Heinrich Edler von Ober­leit­h­ner … Franz Edler von Ober­leit­h­ner … Dr. Kon­stan­tin Frei­herr von Chia­ri, 1877 bis 1932 … Marie Bie­ner, gebo­re­ne Chia­ri — Ihr Geist stieg auf zum ewi­gen Licht …

Erzäh­ler  Ich las tsche­chi­sche und deut­sche Namen, tsche­chisch-deut­sche und deutsch-tsche­chi­sche: Marie Bruck­mül­lero­vá, gebo­re­ne Gott­wal­do­vá … Jana Hüb­nero­vá … Marie Schneiderová …

Neh­men Sie nur mei­nen Namen: Kopec heißt “der Hügel”. Kopetz­ky also “Hüg­ler”. Oder “Der, der auf dem Hügel wohnt”. Der Mäd­chen­na­me mei­ner Frau ist Bro­schek, ursprüng­lich mit ž geschrie­ben — z mit “Haken”.

Unse­re Vor­na­men dage­gen — “rein ger­ma­nisch”: Hel­mut, Heid­run. Fried­gund heißt die Schwes­ter mei­ner Frau.

Kopetz­ky (LIEST) Vaclaw Mül­ler … Voj­teš­ka Drexlerová …

Erzäh­ler 700 Jah­re leb­ten sie zusam­men — seit die Her­zö­ge der Tsche­chen deut­sche Sied­ler in ihr Land geru­fen hat­ten. Seit’ an Seit’ wur­den wie begra­ben. Das Elend fing im vori­gen Jahr­hun­dert an. Zunächst nur idea­lis­ti­sche Gedan­ken­spie­le — “Deut­scher Reichs­ge­dan­ke”, “Pan­sla­wis­mus”, “Renais­sance der tsche­chi­schen Nati­on”. Dann intel­lek­tu­el­le Zün­de­lei­en. Das aus­tro-deut­sche Bür­ger­tum fühl­te sich den Sla­wen über­le­gen. “Am deut­schen Wesen…” und so wei­ter und so wei­ter. Schla­gen­de Stu­den­ten such­ten Streit, die “alten Her­ren” saßen kichernd an der The­ke. Bis zum ers­ten Welt­krieg flo­gen nur die Bierseidel.

Kopetz­ky … Dem bewähr­ten Bür­ger­meis­ter im Ers­ten Welt­krie­ge, Fried­rich Rit­ter von Ter­sch, 1836 bis 1915 … (VERSUCHT ZU ENTZIFFERN) Dem Kämp­fer — dem Kämp­fer für — das — schwer zu lesen — Deutschland …

Erzäh­ler 1918 brach die öster­rei­chisch-unga­ri­sche Mon­ar­chie zusam­men. 6,7 Mil­lio­nen Tsche­chen woll­ten end­lich ihren eige­nen Staat. 3,1 Mil­lio­nen Deut­sche waren nun zur “natio­na­len Min­der­heit” gewor­den. Doch das Mit- und Neben­ein­an­der, in Jahr­hun­der­ten geübt, funk­tio­nier­te vor­erst wei­ter. Vie­le kön­nen das bezeu­gen. Zeu­ge Winkler:

Wink­ler Ich habe 80 Meter von einem Gast­haus ent­fernt gewohnt, als Kind. Und da hab’ ich das so beob­ach­tet. Von den Bier­fäs­sern haben wir in die Gast­stu­be ‘rein­ge­se­hen, wie sie getanzt haben, gespielt — ein tsche­chi­sches Lied, ein deut­sches Lied. 

Ein­mal haben die Tsche­chen getanzt, dann haben wie­der die Deut­schen getanzt. Die Tsche­chen sein um die deut­schen Mädel gegan­gen — und die Deut­schen sind zu den tsche­chi­schen Mädeln gegan­gen. Und alles ist fried­lich verlaufen …

Erzäh­ler Es gab deut­sche Orte und dane­ben tsche­chi­sche. Auf man­chen Kar­ten war die “Sprach­gren­ze” sogar mar­kiert. Arbei­ter aus Blau­da — tsche­chisch Blu­dov — fuh­ren in die Tre­bit­sch-Webe­rei nach Mäh­risch-Schön­berg. Onkel Hans, der Bru­der mei­ner Mut­ter, ging in Blu­dov auf die “Tsche­chen­schu­le”. Er sprach Tsche­chisch wie ein Tsche­che. Den­noch trug er auf der Stra­ße “deutsch”.

Hans Stanzel Ich hat­te immer mei­ne wei­ßen Strümp­fe und mei­ne Leder­ho­sen. Und da war ich glücklich !

Erzäh­ler Tsche­chen hat­ten lan­ge Hosen, sagt mein Onkel. Deut­sche Frau­en tru­gen Dirndlkleider.

Hans Stan­zel Dirndl war deutsch !

Scha­lek Ich muss Ihnen da etwas zeigen …

Erzäh­ler Zeu­ge Schalek.

Scha­lek Sehen Sie — das ist die Quar­ta des Leit­me­rit­zer Gym­na­si­ums. Und das war ich !

Kopetz­ky 19..

Scha­lek 1928.

Kopetz­ky Und wie vie­le Deut­sche sind auf dem Foto ?

Scha­lek Das sind alles Deut­sche. Das war ein deut­sches Staats­gym­na­si­um in Leit­me­ritz. Als Mit­tel­schü­ler war ich in der soge­nann­ten bün­di­schen Jugend, in der Wan­der­vo­gel­be­we­gung. Wir haben da immer im böh­mi­schen Mit­tel­ge­bir­ge zur Sonn­wend­fei­er auf den Basalt­ke­geln unse­re Feu­er ent­zün­det, und als die Däm­me­rung kam, haben sie auf allen die­sen Kegeln geleuch­tet. Und dort hat man dann das Böh­mer­land­lied gesun­gen. Sie seh’n in die­sem Lied schon irgend­wie die Kei­me der spä­te­ren Entwicklung.

Kopetz­ky Kön­nen Sie das noch ?

Scha­lek Das kann man nicht ver­ges­sen: “Wir heben unse­re Hän­de / aus tiefs­ter bit­te­rer Not / Herr­gott den Füh­rer sen­de / der unsern Jam­mer ende mit mäch­ti­gem Gebot / Erwe­cke uns den Hel­den / der sei­nes Volks erbarm’ / Das Volk, das nacht­be­la­den / ver­kauft ist und ver­ra­ten / in sei­ner Fein­de Arm…”

Die letz­ten zwei Ver­se sind mir ent­fal­len — ich weiß nur den Schluss noch: “Lass nicht zuschan­den wer­den / dein lich­tes Volk auf Erden / und mei­ner Mut­ter Land … !”

Erzäh­ler Ver­gif­te­te Lyrik. Die Wir­kung zeig­te sich zehn Jah­re spä­ter, 1938/39, mit dem soge­nann­ten Anschluss und dem Ein­marsch deut­scher Trup­pen in die “Rest-Tsche­cho­slo­wa­kei”.

DOKUMENT (15. 3. 1939) REPORTER: Hier ist der volks­deut­sche Sen­der “Prag II”, das Mikro­phon auf der Gale­rie des Muse­ums am Wen­zels­platz.’ Eben hat sich der unte­re Teil des Wen­zels­plat­zes mit Men­schen­mas­sen gefüllt, die ein uns unver­ständ­li­ches Lied sin­gen. Aber es ist, das hört man, ein Lied der Begeisterung (…)

Frau Also — wir waren ja alle rest­los begeis­tert. Zu 90 Pro­zent waren wir für den Anschluss. Dass es zufäl­lig der Hit­ler war — bit­te, Zufall ! Wir hät­ten mit jedem Ande­ren den Anschluss begrüßt. Wir waren Deut­sche, wir woll­ten zum Reich !

Erzäh­ler Nein, sie haben sich nicht ‘raus­ge­hal­ten, unse­re Mäh­risch-Schön­ber­ger. Sie stan­den in der Schil­ler­stra­ße, Kopf an Kopf, wenn der Leh­rer Kon­rad Hen­lein, Füh­rer der “Sude­ten­deut­schen Hei­mat­front”, spä­ter Gau­lei­ter und Reichs­statt-hal­ter, dort sein Gift ver­spritz­te. Schön­berg war schon immer eine “deut­sche Stadt” gewe­sen. Tau­send Tsche­chen, 15 000 Deut­sche. Dann, Im Welt­krieg, wur­de die­se Über­macht erdrü­ckend. Vie­le Tsche­chen flüch­te­ten ins soge­nann­te Reichsprotektorat.

(…)

TREPPENHAUS, SCHRITTE UND STIMMEN. EINE TÜR WIRD GEÖFFNET. DIALOG AUF TSCHECHISCH.

Kopetz­ky Mein Name ist Kopetzky.

Jar­ka Wor­an soll­te sie sich erinnern

Kopetz­ky An den Namen Kopetzky.

Jar­ka War es Ihr direk­ter Ver­wand­ter in dem Pelzladen ?

Kopetz­ky Es war mein Vater.

Erzäh­ler Eichel­bren­ner­platz, dann Hit­ler­platz … dann Sta­lin­platz. Jetzt Uli­ce Generá­la Svo­bo­dy. Haus­num­mer 2. Auch hier kann­te mich niemand.

Ich dach­te: Die­ses Šum­perk ist ein Film in frem­der Spra­che, ohne Unter­ti­tel. Nie­mals wirst du hier zu Hau­se sein.

Jar­ka  Sie ist im Jah­re 50 gekom­men. In dem Jahr war Staats­ver­wal­tung in dem Geschäft. Schon zwei­te oder drit­te Gene­ra­ti­on, sagt sie. Schon 45 Jahre!

Erzäh­ler Im Erd­ge­schoß war das Geschäft: Kopetz­ky — Hüte, Pel­ze, Müt­zen. Das füh­ren­de Pelz­haus am Platz. Jetzt ist dort ein Ramsch­la­den. Überm Ein­gang sieht man noch den Schat­ten einer Leucht­re­kla­me: zwei Buch­sta­ben des Namens, “k” und “y”. Und ein Fuchs­schwanz. Alles ver­blasst, wie prä­his­to­ri­sche Fresken.

Den Laden hät­te ich viel­leicht geerbt.

Es gibt ein Foto: Ich ste­he vor dem Ein­gang, über mir der Fuchs als Fir­men-zei­chen. Da muss ich vier gewe­sen sein — 1944. Mein Groß­va­ter war damals Hee­res­lie­fe­rant. 
(…)

1945, Kriegs­en­de. Die Rus­sen kamen in der Nacht vom 8. auf den 9.Mai nach Schön­berg. Eine Mai­nacht wie in Lie­bes­lie­dern, sagt man. In der Len­au­gas­se hat mein ande­rer Groß­va­ter die Axt geschärft. “Die sol­len hier nur Lei­chen fin­den !” — Er war kaum zu bremsen.

PAPIERE WERDEN UMGEBLÄTTERT

Archi­va­rin … Gegen­über von Kopetz­ky war die Buch­hand­lung Heu­er. 
Da sehen Sie: Der Herr Heu­er, Jahr­gang 98, hat sich da auch das Leben genom­men. Gegen­über vom Geschäft Kopetz­ky. Der Herr Heuer …

Erzäh­ler In West­deutsch­land fand ich Ver­zeich­nis­se des letz­ten Toten­grä­bers der Stadt Mäh­risch-Schön­berg; die Ver­zweif­lung jener Tage — regis­triert mit aku­ra­ten “deut­schen” Buchstaben.

Kopetz­ky Das ist auch ein Massengrab …

Archi­va­rin Ja, schau’n Sie: Das ist er mit sei­ner Frau und ein Sohn, 32 und eine Toch­ter. Die haben kei­ne Aus­sicht mehr gese­hen. Die haben sich ver­gif­tet. Das sind also zusam­men eins, zwei, drei, vier, fünf Per­so­nen in die­sem Mas­sen-grab — und noch eine Frau, Lan­ger­ová liegt da dabei. 

Ver­gif­tet, auf­ge­hängt, erschossen …

(…)

Erzäh­ler Zeit der Abrech­nung — nicht Krieg, nicht Frie­den. Damals gab es kein Gesetz.

Archi­va­rin (BLÄTTERT UM) Der ist also in Schön­berg nach schwe­ren Miss­hand­lun­gen durch die Tsche­chen ver­stor­ben … Tod im Arbeitslager…

Erzäh­ler Aug’ um Auge, Zahn um Zahn … Die soge­nann­ten Ost­ar­bei­ter hat­ten sie mit einem blau­en Lap­pen, 10 mal 10, die Juden mit dem gel­ben Stern mar­kiert. Nun tru­gen alle Deut­schen wei­ße Arm­bin­den mit einem gro­ßen “N” wie “Nemec”, “Deut­scher”.”.

Zwei Drit­tel aller Häu­ser stan­den leer. Mäh­risch-Schön­berg war ent­völ­kert. Aus dem Inne­ren des Lan­des kamen neue Ein­woh­ner, Ver­wal­tungs­leu­te, Poli­zis­ten. Eine Menschentransfusion.

Alle deut­schen Auf­schrif­ten ver­schwan­den, auch die Leucht­re­kla­me über unse­rem Ein­gang. Mäh­risch-Schön­berg wur­de “ent­ger­ma­ni­siert”.

(…)

ATMOSPHÄRE IN JARKAS ELTERNHAUS. WIEDERSEHENS-SZENE.

Erzäh­ler Jar­ka — eigent­lich Jar­mi­la — hat­te mich schon eine Woche lang beglei­tet, da erfuhr ich: Sie war selbst auf einem “Nost­al­giet­rip”.

In Nový Malin, einem Dorf bei Šum­perk, steht näm­lich ihr Eltern­haus. Deut­sche hat­ten es errich­tet. Damals hieß der Ort noch Frank­stadt. Jar­kas Mut­ter stamm­te aus der Slo­wa­kei. Ihr Vater war ein Tsche­che und hieß Men­zel. Als die Eltern dort mit staat­li­cher Erlaub­nis ein­ge­zo­gen, war das Häus­chen besen­rein. Kei­ne Spur mehr von den Deutschen.

Jar­ka (BEWEGT) Hier hat mein Bru­der immer Honig gestoh­len — dar­an kann ich mich so genau erin­nern. Der Ein­gang exis­tiert nicht mehr, man hat die Brü­cke weg­ge­nom­men. Und von der Brü­cke bin ich ein­mal ins Was­ser gefal­len, als drei­jäh­ri­ges Kind. Aber das exis­tiert nicht mehr durch den Bau der Straße.

Frau  (JARKA ÜBERSETZT) … Jesus — sie haben fünf Kin­der, elf Enkel­kin­der schon

Erzäh­ler In gewis­ser Wei­se war Jar­kas Geschich­te die Fort­set­zung mei­ner eige­nen. Des­halb hat­te sie davon geschwie­gen. Seit ihrer Kind­heit war sie nicht mehr hier gewe­sen. 38 Jahre.

Mann Wenn ich auf­rich­tig sein soll­te, hat­ten wir kei­ne guten Erfah­run­gen mit den Deut­schen. Nicht in der ers­ten Repu­blik, nicht wäh­rend des Krie­ges und nie­mals ! Das geht nun schon 200 oder 300 Jah­re, dass die­se Gebie­te immer ger­ma­ni­siert wor­den sind.

Die Fabri­ken gehör­ten meis­tens den Deut­schen. Und wenn die Tsche­chen ange­stellt sein woll­ten, muss­ten sie eine deut­sche Schu­le besu­chen. Amts­spra­che war nur Deutsch. Wenn man bei der Bahn ange­stellt sein woll­te, muss­te man nur Deutsch sprechen.

Ich bin damals zur Schu­le gegan­gen, und als Schü­ler — als der Leh­rer in der Klas­se erschien — muss­ten wir auf­ste­hen und “Heil Hit­ler !” sagen.

Nach dem Schul­ab­gang, als ich mit der Grund­schu­le fer­tig war — als Tsche­che konn­te ich mich um kei­ne ande­re Arbeit bewer­ben, nur am Hofe eines Bau­ern zu die­nen. Und ich durf­te in kei­ne Leh­re gehen. ich konn­te an nichts bes­se­res den­ken als nur Arbeit auf dem Felde.

Ich mei­ne, dass die Deut­schen gegen uns Tsche­chen weit grö­ße­re … prí­šer­nitct­ví … began­gen haben als wir. Wenn Sie viel­leicht wis­sen, wel­che Zie­le sie mit uns Tsche­chen im Fal­le eines end­gül­ti­gen Sie­ges hat­ten — Aus­rot­tung ! Wo wären wir heute ?

Es hat in der Geschich­te nie­mals gut getan, die­ses Zusam­men­le­ben. Immer haben die Deut­schen etwas — War­um haben sie den Krieg ent­fes­selt ? Das Zusam­men­le­ben hat nie, nie nichts Gutes … Es hat immer nur — er sagt: immer Höl­le ver­ur­sacht ! Und wirt­schaft­lich haben sie uns ruiniert.

Erzäh­ler Deut­sche kom­men öfter hier­her, sag­te der Mann. Sie gehen durch’s Dorf und foto­gra­fie­ren die Häu­ser. Wir sind froh, wenn wir sie von hin­ten sehen. Er nahm kein Blatt vor den Mund.

Mann (Jar­ka) Er sagt, er war Zeu­ge der Ver­trei­bung, aber er war dafür — für die Aus­sie­de­lung. Und er hät­te kei­ne Sze­ne gese­hen, wo die Deut­schen miss­han­delt wor­den wären.

Erzäh­ler  Die­ser alte Mann in Jar­kas Eltern­haus war pen­sio­nier­ter Eisen­bah­ner. Er hat­te 1946/47 mit­ge­hol­fen, auf dem Bahn­hof Šum­perk Deut­sche in die Güter­zü­ge zu ver­la­den, alte Leu­te, Kin­der. Viel­leicht ja auch mich.

BAHNHOFS-ATMOSPHÄRE. VORÜBERFAHRENDER GÜTERZUG.

Erzäh­ler Der nächs­te Zug von Šum­perk nach Hanušo­vice ging in zehn Minu­ten. Eine Grup­pe Schü­ler hat­te sich ver­sam­melt, fröh­lich schwat­zend. Ich nahm an, sie freu­ten sich schon auf die Feri­en im Gebir­ge. Frei­lich konn­te ich sie nicht ver­ste­hen. Ihr Gepäck war auf dem Bahn­steig auf­ge­schich­tet — Ruck­sä­cke und Zelt­stan­gen und ruß­ge­schwärz­te Kochtöpfe.

SCHIENENBUS-FÄHRT VORÜBER. DIE KULISSE VERSCIIWIMMT.

Erzäh­ler Und wie­der sah ich die­sen alten Film. Die Kame­ra im Kopf schwenkt über Haus­rat, ein­ge­hüllt in wei­ße Lein­tü­cher und Decken. Kin­der sit­zen auf den Bün­del-Hal­den. Men­schen, Kof­fer — alles durch­ein­an­der, wie nach einem Erd­stoß. Kata­stro­phen­bil­der. Groß­auf­nah­men zei­gen Ess­ge­schir­re, Sup­pen­kel­len, Lis­ten, Stem­pel, Schwes­tern­hau­ben mit dem Roten Kreuz. Auf einem Holz­tisch wer­den Schmuck­stü­cke sortiert.

Und da bin ich, mit­ten im Gedrän­ge. Mut­ter ruft: “Nie­mand fasst mein Kind an !” Groß­mutter lehnt abseits an der Mau­er, sie muss bre­chen. Groß­va­ter wirkt wie ver­stei­nert. Er war Zug­füh­rer. Schon vor dem ers­ten Welt­krieg fuhr er jeden Tag nach Schle­si­en, über die Sude­ten — Mäh­risch-Schön­berg — Nei­ße — Anschluss­zug nach Bres­lau. Er hat oft davon erzählt.

Die gro­ße schwar­ze Lok ! Ich will dort­hin lau­fen. Aber mei­ne Mut­ter hält mich eisern fest.

BAHNHOFSKULISSE WIE ZUVOR

Archi­va­rin Das ist jetzt die Trans­port­lis­te “Mäh­risch-Schön­berg und Kreis” (BLÄTTERT) … Moment … 16. 8. nach Ful­da … Das muss es sein ! Der 16. 8.

Kopetz­ky Zugnummer …

Archi­va­rin… 4546 … Mäh­risch-Schön­berg über Grenz­über­gang Wies­au nach Ful­da, 1220 Personen …

Erzäh­ler Ich besit­ze noch die Aus­wei­sungs­pa­pie­re — den “Trans­port­zet­tel” zum Bei­spiel, auf Eng­lisch “Trans­por­ta­tion­card”: “Hel­mut Kopetz­ky, Age: five / three quar­ters — male — Natio­na­li­ty: Ger­man — Occu­pa­ti­on: child”…

Unser Ziel war die US-Zone. Und der ‘Raus­schmiss wur­de von den Sie­ger-mäch­ten überwacht.

EIN ZUG LÄUFT EIN. LAUTSPRECHER-DURCHSAGEN.

IM FAHRENDEN PKW

Erzäh­ler  Nächs­ten Tag fuh­ren wir ins Gebir­ge. Herr Wink­ler, Mit­glied einer Jagd­ge­nos­sen­schaft, hat­te mich zur Fähr­ten­su­che ein­ge­la­den. Immer wie­der zeig­te er auf Stein­hau­fen, bemoos­te Hügel, in der Land­schaft kaum zu unter­schei­den. Nach dem Welt­krieg stan­den dort noch Häu­ser. Die Bewoh­ner waren deutsch. Dorf für Dorf wur­den sie ver­trie­ben. Den Nach­barn dien­ten sol­che Geis­ter­dör­fer dann als Steinbrüche.

Wink­ler  Vieh hat’s noch im Dorf gehabt. Mili­tär haben sie ein­ge­setzt damals, und die haben das Vieh sol­len füt­tern. Aber ein Sol­dat — der hat ja ande­re Inter­es­sen gehabt … und …

Der letz­te Trans­port, wo er weg war — man ging durch das Dorf und nie­mand … (WEINT) … Aber wis­sen Sie, heu­te das zu erklä­ren (WEINT) … Wis­sen Sie — ich hab’ so viel Leid gese­hen in mei­nem Leben … Mensch­li­ches Leid … Ob’s von die­sem Volk oder von die­sem Volk …

Erzäh­ler Er sag­te: Deut­sche kom­men sel­ten bis hier­her. Und dann auch nur zum Jagen — Sams­tag, Sonn­tag. Das sind “Reichs­deut­sche”, nicht “unse­re Leit”.

Wink­ler Reh­wild und Hirsch­wild hat’s hier vieles.

Kopetz­ky Was sind das für Leu­te, die hier­her kom­men zum Jagen ??

Wink­ler Das sind meis­tens von Euch — Groß­grund­be­sit­zer, Fabri­kan­ten oder von Flug­ge­sell­schaf­ten. Ich habe auch den Dol­metsch gemacht. So ein guter Hirsch von 190 Punk­ten — der kos­tet 6000 Mark. Und die geben das mit der lin­ken Hand, kann man sagen.

DER WAGEN HÄLT. SCHRITTE IN TROCKENEM GRAS. VOGELSTIMMEN.

Wink­ler Ich bin der letz­te Zeu­ge hier.

Erzäh­ler  Wir gin­gen Über stei­le Wie­sen­hän­ge. Har­tes, aus­ge­dörr­tes Gras. Frü­her waren das Kar­tof­fel­ä­cker vol­ler Stei­ne. Die ärms­ten Bau­ern zogen selbst den Pflug.

Die­ser aus­ge­lösch­te Ort hieß Schu­bert-Neu­dorf. Der Vater von Franz Schu­bert wur­de hier geboren.

SCHRITTE. VOGELSTIMMEN. WIND.

Wink­ler Nu, da hat das Haus gestan­den — das Schu­bert­haus. Da sehen Sie noch die­se Grund­mau­ern davon. Das ist das Wohn­haus gewe­sen, vorn … Und da ist der Gang in den Kel­ler … Und da war ein Pfer­de­stall … Das war gewiß ein Pfer­de­stall — ent­we­der das oder das … Und was Sie dort drü­ben sehen, war die Scheu­er … Und da ist man in den Kel­ler gegan­gen (SCHRITTE AUF GRAS, TROCKENE REISER, LOSE STEINBROCKEN) Aber kein Glück wer­den wir dort nie finden …

Schau’n Sie her !

Kopetz­ky Noch Schnee drin !

Wink­ler Schnee…

Erzäh­ler Auf die­sen Mat­ten tra­fen sich die Anhän­ger der “Heim-ins-Reich-Bewe­gung”, lan­ge vor dem “Anschluss” — deut­sche Dirndl, wei­ße Strümp­fe — Tau­sen­de. Holz­stö­ße brann­ten, und bren­nen­de Stroh­bal­len roll­ten effekt­voll berg­ab. Die­se Mas­sen­tref­fen waren ille­gal. Doch die ört­li­chen Gen­dar­men schau­ten ein­fach weg. Im deutsch­spra­chi­gen Grenz­ge­biet hat­te Hit­ler vie­le Anhänger.

Wink­ler Wo der Hit­ler den 50. Geburts­tag hat­te, kann ich mich erin­nern, da war das gan­ze Dorf geschmückt. Mit Eichen­laub wur­de das geschmückt zu Füh­rers Geburts­tag, ja …

(…)

EISENBAHNWAGGON, INNENSTARK VERFREMDET

Erzäh­ler… Und ich bin in einem Güter­wa­gen vol­ler Men­schen und Gepäck. Da kniet Groß­mutter vor einem Eimer. Sie muss sich dau­ernd erbre­chen. Immer wie­der hält der Zug auf frei­er Stre­cke. Ab und zu ein Bahn­hof. Lan­ge Rei­hen offe­ner Latri­nen. Män­ner, Frau­en, Kin­der hock­ten da wie Trau­er­vö­gel. Alle schä­men sich.

Dann die Gren­ze: Türen flie­gen auf. Der Bahn­damm über­sät mit wei­ßen Arm­bin­den — N wie “Nemec” — “Deut­scher” … Wol­ken von Ent­lau­sungs­pul­ver. DDT.

Letz­te Ein­stel­lung: ein Sta­ti­ons­schild: FULDA … “Alle ‘raus !” Wer von uns kann­te den Ort ??

TREPPENHAUS. SCHRITTE UND STIMMEN.

Erst kamen wir ins Qua­ran­tä­ne­la­ger. Spä­ter wur­den wir mit Last­wa­gen ver­teilt. Ich weiß noch, wie wir die­se enge Dach­kam­mer bezo­gen — mei­ne Mut­ter, mei­ne Groß­el­tern und ich. Es war ein hei­ßer Vor­mit­tag im Som­mer 1946.

AUFSCHLIESSEN UND TÜRGERÄUSCII

Herr Kress jr. Das war ja alles offen hier — das war Boden und dies war Boden … Das ist jetzt Küche … Jetzt ein schö­nes gro­ßes Zimmer …

Kopetz­ky  Darf ich mal zum Fens­ter rausgucken ?

Erzäh­ler Eine Klein­stadt, 40 000 Ein­woh­ner, vom Krieg schwer mit­ge­nom­men. Nach zwei Jah­ren leb­ten fast 10 000 Frem­de in der Gegend.

Frau Kress  Muss­ten alle zusam­men­rü­cken ! Aber wir haben uns gut ver­tra­gen ! Mit der Oma, ‘m Opa …

Herr Kress jr. Heu­te wär’ das unmög­lich ! Da würd’ jeder protestieren !

Frau Kress Es hat einem doch auch leid getan …

Herr Kress jr. Die Frau­en hat­ten Kopf­tuch, wie heu­te die Tür­ken­frau­en — trugen’s nur ein biss­chen anders. Die fie­len auf mit ihrem Kopftuch..

Erzäh­ler … Und vie­le “Bittschön”-Männer hat­ten Schnurr­bär­te — wie Tsche­chen ! Heu­te könn­te man uns nicht mehr unter­schei­den. Aber damals — “Bitt­schööön ! Bitt­schööön !” rie­fen uns die ein­hei­mi­schen Kin­der nach.

Wir tra­fen uns im Gast­hof “Reichs­ad­ler”. Dort fei­er­ten wir Weih­nach­ten und Ostern, wie­der Weih­nach­ten. Und immer hieß es: “Nex­tes Johr sann mir d’rhaam !”

Frau Kress Dann wol­len wir mal trin­ken ! Prost — Prost !

Erzäh­ler Am meis­ten litt wohl mei­ne Groß­mutter. Ihr Tie­gel­chen mit “Hei­mat­er­de” woll­te sie nicht her­ge­ben. Wenn sie ein­mal in die Stadt ging, sag­te sie: “Ich geh auf Schem­berg !” All­mäh­lich wur­de sie ver­wirrt. Sie hat nie begrif­fen, was mit ihr pas­siert war.

TREPPENHAUS

So sind wir “Bitt­schöns” dage­blie­ben. Die einen träum­ten wei­ter von zu Haus’ (und man­che träu­men immer noch). Die andern bau­ten Häu­ser, grün­de­ten Fabri­ken. Kin­der kamen auf die Welt. Sie waren kei­ne Bitt­schöns mehr und kei­ne Reichs­deut­schen. Die meis­ten von uns dach­ten sel­ten an die Aus­wei­sung zurück.

Nur ein­mal jähr­lich wer­den wir dar­an erin­nert. Dann ist Sude­ten­deut­scher Tag.

KULISSE FRANKENIIALLE, NÜRNBERG

Red­ner (WEIHBISCHOF C. PIESCHL) … Ist es christ­lich, dass wir wei­ter­hin die Ver­wirk­li­chung des Rech­tes auf die Hei­mat, auf die freie Selbst­be­stim­mung, die zumut­ba­re Ent­schä­di­gung oder Rück­ge­währ kon­fis­zier­ten, durch Gene­ra­tio­nen recht­mä­ßig erwor­be­nen Eigen­tums for­dern ? — Ich sage mit gutem Gewis­sen, in der Ach­tung der Zehn Gebo­te: Ja !

Als katho­li­scher und Sude­ten­deut­scher Bischof und auch als Beauf­trag­ter für die Ver­trie­be­nen wie­der­ho­le ich: Auch die Sude­ten­deut­schen haben Recht und Anspruch auf Ver­wirk­li­chung des Rech­tes auf die Hei­mat und freie Ent­fal­tung in der Hei­mat als ein­zel­ne und als Gruppe !

STARKER BEIFALLAUF DIE VERSCHWIMMENDE KULISSE:

Erzäh­ler Am letz­ten Abend saß ich mit Jar­ka aus Prag in der ver­schlis­se­nen Pracht des “Hotel Grand” in Šum­perk. Wir spra­chen über die­ses unse­li­ge “Aug’-um-Auge” Spiel: “Mei­ne Leu­te” — “Dei­ne Leu­te” — soll­te das denn nie­mals auf­hö­ren ?
Wir haben nichts beschö­nigt, nichts ver­harm­lost. Wir zogen eine sau­be­re Bilanz.
Abwech­selnd tran­ken wir ein pivo aus Hanušo­vice und ein Bier aus Hanns­dorf, wie Hanušo­vice ein­mal hieß: “Na zdra­ví — “Pro­sit !” — “Auf die Zukunft !”

Viel­leicht schick’ ich doch noch die­sen Brief nach Šumperk:

…Sehr ver­ehr­te Stadt­ver­wal­tung ! Auf den Anfang mei­nes Schrei­bens zurück­kom­mend, wie­der­ho­le ich den unum­stöß­li­chen Ver­zicht auf alle Ansprü­che aus den genann­ten Lie­gen­schaf­ten (sie­he oben). Dies bedeu­tet nicht mein Ein­ver­ständ­nis mit der Tat­sa­che und Form der Aus­sied­lung im Som­mer 1946.
Ich schlie­ße hier nur eine Rech­nung ab. Sie wür­de nie­mals auf­ge­hen. Des­halb die­ser Schluss-Strich.

Mit den bes­ten Grü­ßen — Hel­mut Kopetzky.

P.S. Mein Sohn, gebo­ren 1976, trägt den Namen Jan Kopetz­ky, wie Jan Hus, Jan Pal­lach, Jan Neru­da, Jan Lede­cký, Jan Kany­za, Jan Potmesil.

Dies zu Ihrer Kenntnis.”

© Alle Rech­te beim Verfasser


Dank­brief nach Über­sen­dung einer CD „Flucht und Ver­trei­bung im Rund­funk“ durch das Hans-Bre­dow-Insti­tut, Ham­burg, im Novem­ber 2017

► Lie­be A. T.,

da haben Sie uns bei­den “Bitt­schöns” – mei­ner Frau und mir, die im Som­mer 1946 mit dem sel­ben Trans­port in das stark zer­bomb­te Ful­da kamen – mit der CD eine Freu­de gemacht! 

Wir Kin­der kamen nicht aus den böh­mi­schen son­dern aus den mäh­ri­schen Wäl­dern, aber der Name “Kopetz­ky” hat mich die gan­ze Schul­zeit über als Fremd­ling begleitet. 

Mei­ne Frau heißt mit dem Vor­na­men alters­ge­mäß Heid­run, mit “Mäd­chen­na­men” Bro­schek (tsche­chisch etwa Käfer­chen). Und auch Hel­mut passt reiz­voll zu die­ser deutsch-tsche­chi­schen Melan­ge: kopec ist der Hügel, Kopetz­ky also etwa “Hüg­ler” oder Mensch aus den Bergen. 

Unser Sohn wie­der­um ver­dankt sei­nen (tsche­chi­schen) Vor­na­men Jan der anhal­ten­den Aus­ein­an­der­set­zung über “die Tsche­chen” mit mei­ner Mut­ter Gre­te (!) Braz­dil – den Nach­na­men hat sie von mei­nem Stief­va­ter, der auf der Krim in letz­ter Minu­te “an der Spit­ze sei­ner Ein­heit” im Pul­ver­dampf des Zwei­ten Welt­kriegs ver­schwand (der leib­li­che Vater war mit 26 kurz nach dem Angriff auf die Sowjet­uni­on von einem sowje­ti­schen Flug­zeug-MG von der Flie­ger­ab­wehr­ka­no­ne geholt worden). 

Um die zeit­ge­schicht­li­chen Absur­di­tä­ten noch etwas auf die Spit­ze zu trei­ben: Her­bert Hup­ka (1915–2006, kon­ser­va­ti­ver Ver­trie­be­nen­po­li­ti­ker) über­reich­te mir 1993 in Erfurt den Medi­en­preis des Ost­deut­schen Kul­tur­rats für das Fea­ture “Auch ich war ein Bitt­schön”, nicht ahnend, dass ich mich in der Sen­dung, die er gar nicht gehört hat­te, als sog. “Ver­zicht­ler” zu erken­nen gab, was mei­ne Mut­ter wie­der­um zu einem mehr­jäh­ri­gem Schwei­ge­boy­kott  gegen­über dem unter ehe­ma­li­gen Sude­ten­deut­schen gebrand­mark­ten Sohn provozierte. 

Mit herz­li­chen Grüßen

Ihr Kope­cky (wie es un-ein­ge­deutscht hei­ßen müss­te) ◀︎


Söh­ne und Töch­ter der Stadt“

► Auf der offi­zi­el­len Home­page von Šum­perk / Ex-Mäh­risch-Schön­berg fin­det sich „Hel­mut Kopetz­ky (* 1940), deut­scher Fea­ture­au­tor“ u. a. neben „Leo Sle­zak (1873–1946), Tenor“ und „Her­mann Kru­mey (1905–1981), SS-Offi­zier und Täter des Holo­caust; Stell­ver­tre­ter von Adolf Eich­mann bei der Ver­nich­tung der unga­ri­schen Juden“. ◀︎

Sude­ten­deut­sche strei­chen Anspruch auf Hei­mat

DIE WELT“ am 02.03.2015: 

► „Die Bun­des­ver­samm­lung der aus der ehe­ma­li­gen Tsche­cho­slo­wa­kei kol­lek­tiv ver­trie­be­nen 3,5 Mil­lio­nen Sude­ten­deut­schen hat die ‘Wie­der­ge­win­nung der Hei­mat’ sowie eine ‘Resti­tu­ti­on oder gleich­wer­ti­ge Ent­schä­di­gung’ für die kol­lek­ti­ve Ent­eig­nung der Volks­grup­pe nach dem Zwei­ten Welt­krieg als Zie­le aus ihrer Sat­zung gestri­chen. Der frü­he­re kon­ser­va­ti­ve Pra­ger Außen­mi­nis­ter und Prä­si­dent­schafts­kan­di­dat Karel Schwar­zen­berg zoll­te die­sem Beschluss gegen­über der ‘Welt’ sei­ne Hoch­ach­tung“.  ◀︎